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Stand der klinischen Anwendung

Die intraligamentäre Anästhesie (ILA) – Teil 1

Die Ergebnisse der klinischen Studien, die in den letzten 15 Jahren durchgeführt wurden, zeigen, dass die „intraligamentäre Anästhesie“ wirksam und minimalinvasiv ist. Sie sollte als primäre Methode der Schmerzausschaltung die konventionellen Lokalanästhesie-Methoden in der täglichen Praxis komplettieren. Die medizintechnische Entwicklung anwendungsgeeigneter Injektionssysteme für die intraligamentäre Anästhesie, die wissenschaftliche Beantwortung der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellten, und die Erfahrungen der klinischen Anwendung mit dieser Lokalanästhesie-Methode eröffnen der praktizierenden Zahnärztin/dem praktizierenden Zahnarzt die Möglichkeit, eine minimalinvasive Variante der lokalen Schmerzausschaltung ihrem/seinem Repertoire der örtlichen Betäubung hinzuzufügen.

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Die sichere Desensibilisierung des Patienten vor einer angezeigten – wahrscheinlich schmerzverursachenden – therapeutischen Maßnahme ist die klinische Basis, ohne die keine zahnärztliche Behandlung möglich ist. Die weltweit gelehrte und weitgehend in der Praxis angewandte Methode der Schmerzausschaltung in der Zahnheilkunde ist die örtliche Betäubung, d. h. die Injektion eines Anästhetikums im oralen Bereich.

Stand der Zahnheilkunde

Bei der terminalen Anästhesie (Infiltrationsanästhesie) erfolgt die Injektion des Anästhetikums in unmittelbarer Nähe der Knochenoberfläche in die Submukosa bzw. supraperiostal. Das Anästhetikum verteilt sich im Weichgewebe und angrenzenden Knochen und wird an den terminalen Nervenendigungen wirksam. Wo diese Injektionsmöglichkeit, z. B. wegen der kompakten Knochenstruktur im Unterkiefer-Seitenzahnbereich, nicht möglich ist, muss der Nervenstamm, der diesen Bereich nerval versorgt, durch eine Leitungsanästhesie betäubt werden. Die Injektion des Anästhetikums erfolgt bei der Leitungsanästhesie in die unmittelbare Umgebung eines größeren Nervenstammes, sodass eine Lokalanästhesie im Versorgungsbereich dieses Nerven distal der Injektionsstelle eintritt [41]. Indiziert ist die Leitungsanästhesie immer dann, wenn mit einer Terminalanästhesie keine oder keine ausreichende Anästhesietiefe erreicht werden kann, z. B. wenn die den Zahn umgebende Knochenschicht sehr kompakt ist und das Anästhetikum deshalb nicht in ausreichender Konzentration die zu desensibilisierenden Nervenendigungen erreicht. Vorteile – und zugleich Nachteile – der Leitungsanästhesie sind die komplette Anästhesie eines Nervenstranges und eine lange Wirkdauer. Ein Gefäßkontakt und/oder eine Verletzung des Nerven mit der Kanülenspitze ist nicht sicher vermeidbar [10,19,28,40]. Zur Erhöhung der Akzeptanz der Lokalanästhesie durch den Patienten hat sich die Lachgassedierung etabliert. Eine zentrale Schmerzausschaltung (Intubationsnarkose) kommt in der zahnärztlichen Praxis nur in begründeten Fällen und bei entsprechenden räumlichen, personellen (Anwesenheit eines Anästhesisten) und apparativen Voraussetzungen infrage [15]. Neben diesen Hauptmethoden der zahnärztlichen Anästhesie werden in der Literatur weitere Alternativen beschrieben: Bei der Elektroanästhesie handelt es sich um eine Methode der Schmerzausschaltung, die schwachen elektrischen Strom zur Blockade der schmerzleitenden Nerven nutzt. Die neurale Weiterleitung der Schmerzimpulse wird mittels eines Elektroanästhesiegerätes unterbrochen. Intraossäre Injektionen, die für schwierig zu anästhesierende Zähne als Variante der Lokalanästhesie angesehen werden [15], sind wenig verbreitet. Zur nichtinvasiven Schmerzausschaltung oder -reduktion ohne Anästhetika oder Analgetika gehören Techniken, die in der zahnärztlichen Praxis nur vom Erfahrenen ausgeübt werden können, wie Suggestion, Hypnose und andere Formen der Psychotherapie. Auch die Akupunktur wird in manchen Zahnarztpraxen zur Schmerzbekämpfung eingesetzt. Nichtmedikamentöse Schmerzbehandlungsmethoden sind immer dann angezeigt, wenn der Patient Lokalanästhetika oder Analgetika nicht verträgt oder, aus welchen Gründen auch immer, ausdrücklich nicht wünscht. In allen Lehrbüchern erwähnt und als Möglichkeit der Komplettierung aufgezeigt, wenn die konventionellen Lokalanästhesie-Methoden nicht den gewünschten Effekt gebracht haben, hat in den letzten Jahren die intraligamentäre Anästhesie (ILA) zunehmend Beachtung gefunden [31,32,35,36, 42,43,50]. Bei der intraligamentären Anästhesie wird das Anästhetikum via Ligamentum circulare in den Desmodontalspalt des zu behandelnden Zahnes injiziert. Die zu injizierende Menge Anästhetikum beträgt pro Zahnwurzel etwa 0,2 ml. Bei der intraligamentalen Injektion muss der Gegendruck des dichten Desmodontalgewebes überwunden werden, damit das applizierte Anästhetikum in das zahnumgebende Gewebe diffundieren kann. Dies ist auch mit üblichen Aspirationsspritzen möglich, aber sehr schwierig [51].

Alle Fragen zu den histologischen Effekten und der Wirkung der intraligamental injizierten Anästhetika, die möglicherweise zu generierenden Komplikationen und auch die Ursachen der unerwünschten Wirkungen wurden seit den 1980er-Jahren systematisch aufgeklärt und die Ergebnisse der Studien international veröffentlicht. Eine komplexe Übersicht über die „Intraligamentäre Anästhesie: Grenzen und Komplikationen“ wurde von Cides et al. (2011) publiziert [5]. Vor allem mit Blick auf das Patientenrechtgesetz BGB § 630 e (1) stellt sich für den praktizierenden Zahnarzt die Frage: Bei welchen Patienten und Indikationen ist die intraligamentäre Anästhesie (ILA) eine aufklärungspflichtige Alternative zur Infiltrations- und zur Leitungsanästhesie?

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Material und Methode

Seit den 1970er Jahren stehen für intraligamentale Injektionen Spritzensysteme zur Verfügung, die mittels eines integrierten mehrstufigen Hebelsystems die vom Behandler aufgebaute Injektionskraft verstärken und auf das zu injizierende Anästhetikum in der Zylinderampulle, die Injektionsnadel und letztlich den Patienten übertragen (Abb. 1). Der interstitielle Gegendruck konnte leicht durch starken – selbst aufgebauten – Injektionsdruck überwunden werden. Bei intraligamentalen Injektionen mittels der damals handelsüblichen Ligmaject-Spritze (Pistolen-Typ) wurden Injektionsdrücke bis zu 344 N(ewton) – Mittelwert 91,6 N – gemessen [24,40]. Die vergleichbaren Werte bei der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie lagen im Bereich von 19–44 N. Wegen des hohen Injektionsdruckes können unerwünschte Effekte generiert werden, die der Methode der intraligamentären Anästhesie zugeordnet wurden, z. B. Elongationsgefühl und/oder Druckschmerz nach Ende der Analgesie oder auch reversible Drucknekrosen. Pro Durchzug werden mit diesen Spritzensystemen, den sogenannten Pistolenspritzen, 0,2 ml Anästhetikum gespritzt – die Menge, die zur intraligamentären Anästhesie einer Wurzel üblicherweise in 20 Sekunden appliziert wird, wie es auch in den Gebrauchsanweisungen der Spritzen vorgegeben ist. Anfang der 1980er-Jahre wurde eine neue Spritzengeneration eingeführt, die folgende Charakteristika aufweist: Ein seitlich am Spritzengriff angebrachter Dosierflügel übernimmt die Funktion des Auslösehebels. Das Mengenangebot pro Hub wurde auf etwa ein Drittel reduziert, von 0,2 ml auf 0,06 ml. Damit verringerte sich das Risiko der zu schnellen Injektion deutlich; dokumentierte Nebenwirkungen – speziell der Druckschmerz nach Abklingen der Analgesie – wurden weniger festgestellt [23,25,29,30]. Das Design dieser Injektionsapparate ähnelt nicht mehr einer Pistole, sondern gleicht eher einem Füllfederhalter (Abb. 2). Die Verstärkung der vom Behandler aufgebauten Kraft – der Injektionsdruck – wird auch bei diesen Injektionssystemen durch ein integriertes mehrstufiges Hebelsystem bewirkt. Wegen der Möglichkeit des Aufbaus hoher Injektionsdrücke bestand die Gefahr, Schäden am Parodontium zu generieren, weshalb bereits 1983 von der ADA (American Dental Association) davon abgeraten wurde, die ILA als generelle Methode der Lokalanästhesie anzuwenden [14]. Für die Schmerzausschaltung vor Extraktionen und Osteotomien gab es keine Restriktionen, weil bei diesen chirurgischen Maßnahmen das oben beschriebene Risiko nicht zum Tragen kommt. Die medizintechnische Entwicklung hat dazu geführt, dass Ende der 1990er-Jahre ein Spritzensystem angeboten wurde, bei dem die Kraftverstärkung und -übertragung ohne ein mehrstufiges Hebelsystem erfolgt: eine Dosierradspritze (DIN 13989:2013) (Abb. 3). Bei diesem Spritzensystem erfolgt die Druckübertragung vom Daumen (oder Zeigefinger) des Behandlers über ein Zahnrad direkt auf die Zahnstange, den Lochstopfen der Zylinderampulle, das Anästhetikum und die Injektionsnadel – direkt in den Desmodontalspalt. Dadurch hat der Behandler die Möglichkeit, den interstitiellen Gegendruck unmittelbar zu spüren – vergleichbar den für die Infiltrations- und die Leitungsanästhesie angewandten Aspirationsspritzen – und kann ihn durch sensiblen eigenen Druck angemessen überwinden. Die klinische Eignung der Dosierradspritze im prothetischen, konservierenden und endodontischen Indikationsbereich wurde von Marshall (Ludwig- Maximilians-Universität München) 2001 geprüft [33]. Marshall schreibt, dass „die Handhabung des SoftJect-Systems unproblematisch zu erlernen ist und sich leicht in den Behandlungsablauf integrieren lässt. Dabei ist vor allem der Druck, der mit der neuartigen Kraftübersetzung erreicht wird, von Interesse. Anders als bei den älteren ILA-Geräten kann kein unkontrolliert hoher Druck erzeugt werden, sondern nur bis zu einer vom individuellen Widerstand des Gewebes abhängigen Grenze. Es erscheint daher unmöglich, mit dem SoftJect einen druckbedingten Schaden am Parodont zu verursachen“ [33]. Für alle danach durchgeführten klinischen Studien wurde für die intraligamentäre Anästhesie die Dosierradspritze als Basisinstrument eingesetzt [26,37,48,52, 54,55].

Abb. 1: Injektionssysteme mit integrierten mehrstufigen Hebelsystemen für intraligamentale Injektionen – Pistolenspritzen Ligmaject, Peripress und Ultraject.
Abb. 1: Injektionssysteme mit integrierten mehrstufigen Hebelsystemen für intraligamentale Injektionen – Pistolenspritzen Ligmaject, Peripress und Ultraject.
Abb. 2: Dosierhebelspritzen für intraligamentale Injektionen – Anästhetikum-Freisetzung ~0,06 ml pro Hub (Citoject, Paroject).
Abb. 2: Dosierhebelspritzen für intraligamentale Injektionen – Anästhetikum-Freisetzung ~0,06 ml pro Hub (Citoject, Paroject).
Abb. 3: Modell des Dosierrad-Injektionssystems ohne zwischengelagerte Hebel (1 = Kopfstück, 2 = Handstück, 3 = Dosierrad, 4 = Bajonettverschluss, 5 = Zahnstange, 6 = Dosierzahnkranz, 7 = Sichtfenster mit Bestschutz aus PTFE, 8 = Dichtring).
Abb. 3: Modell des Dosierrad-Injektionssystems ohne zwischengelagerte Hebel (1 = Kopfstück, 2 = Handstück, 3 = Dosierrad, 4 = Bajonettverschluss, 5 = Zahnstange, 6 = Dosierzahnkranz, 7 = Sichtfenster mit Bestschutz aus PTFE, 8 = Dichtring).

Klinische Anwendung der intraligamentären Anästhesie

Mit Blick auf die praktische Eignung für die allgemeine zahnmedizinische Anwendung – auch für zahnerhaltende Therapien – wurden im direkten Vergleich in der zahnärztlichen Praxis die übliche Dosierhebelspritze (Citoject, Heraeus-Kulzer, Hanau), die im Jahre 1998 Stand der Technik war, mit der – neuen – Dosierradspritze (SoftJect, Henke- Sass Wolf, Tuttlingen) angewandt und bewertet (Abb. 4) [54].

Abb. 4: Citoject und SoftJect – Basisinstrumente für die intraligamentäre Anästhesie.
Abb. 4: Citoject und SoftJect – Basisinstrumente für die intraligamentäre Anästhesie.
Tab. 1: Mittels intraligamentärer Anästhesie können alle Zähne sowohl im Ober- und im Unterkiefer als auch im Front- und Seitenzahnbereich, im Milch- und im Dauergebiss desensibilisiert werden.
Tab. 1: Mittels intraligamentärer Anästhesie können alle Zähne sowohl im Ober- und im Unterkiefer als auch im Front- und Seitenzahnbereich, im Milch- und im Dauergebiss desensibilisiert werden.

Im Rahmen dieser Studie wurden 205 Zähne bei 132 Patienten in 186 Sitzungen anästhesiert (Tab. 1). Die dokumentierten Daten wurden pseudonymisiert ausgewertet. Für die systematische Bewertung wurden alle zu behandelnden Zähne einzeln betrachtet und dokumentiert und die durchgeführte Lokalanästhesie entsprechend auch einzeln analysiert. Die intraligamentären Anästhesien wurden in der praxisüblichen Komposition durchgeführt, d. h. im Einzelnen für:

  • restaurative Maßnahmen                                                                          153 Fälle = 74,6 %
  • endodontische Maßnahmen                                                                          3 Fälle = 1,5 %
  • Extraktionen                                                                                                30 Fälle = 14,6 %
  • andere Maßnahmen, z. B.
    Kronenpräparationen, Gingivektomien, Fadenlegen etc.                             19 Fälle = 9,3 %          
                                                                                                                       205 Fälle = 100 %

Durch die direkte Druckübertragung – ohne zwischengelagerte Hebel – war der zu überwindende Gegendruck uneingeschränkt für den Behandler spürbar. Die unterschiedlichen anatomischen Gegebenheiten führten fallweise dazu, dass ein geringer oder aber ein stärkerer Gegendruck zu überwinden war. Der Behandler hatte die Möglichkeit, bei zu starkem Gegendruck eine andere lnjektionsstelle zu wählen, wo die Gewebedichte geringer war und entsprechend ein niedrigerer – interstitieller – Gegendruck überwunden werden musste. Der initiale Anästhesieerfolg lag bei 91,7 % (188 von 205 Fällen), durch lLA-Nachinjektion (12 Fälle) stieg die Erfolgsquote auf 97,6 %. Drei Patienten tolerierten einen Minimalschmerz. Eine Komplettierung erfolgte durch eine Leitungsanästhesie, ein Fall (Zahn 27) erwies sich als resistent (Anästhesieversager). Abgesehen von den erforderlichen Nachinjektionen wurde praktisch keine Latenzzeit zwischen intraligamentaler lnjektion und dem Eintreten der Anästhesie festgestellt. Im praktischen Einsatz erwies sich die Dosierradspritze SoftJect im Vergleich mit dem Injektionssystem Citoject (Abb. 4) als sensibler und für den angestrebten Anästhesieerfolg günstiger. Mit der Dosierradspritze ist es außerdem möglich, durch Zurückdrehen des Dosierrades den aufgebauten Injektionsdruck wieder abzubauen, wodurch verhindert werden kann, dass unbeabsichtigt Anästhetikum in den oralen Bereich des Patienten läuft [54,55].

Tab. 2: Die Zahl der Sitzungen unterscheidet sich von der Anzahl der behandelten Zähne, da in derselben Sitzung oft mehrere Zähne behandelt wurden.
Tab. 2: Die Zahl der Sitzungen unterscheidet sich von der Anzahl der behandelten Zähne, da in derselben Sitzung oft mehrere Zähne behandelt wurden.

Die evidenzbasierte ZUGAL-Studie (2001) bestätigte, dass die – ohne integrierte mehrstufige Hebelsysteme funktionierende – mechanische Dosierradspritze SoftJect dem Behandler die Möglichkeit eröffnet, den Injektionsdruck sehr individuell an die anatomischen Gegebenheiten des Patienten anzupassen und das Anästhetikum minimalinvasiv zu applizieren. Um die Eignung von Methode (ILA) und Instrumentarium (Dosierradspritze) für die allgemeine zahnmedizinische Anwendung zu prüfen, wurden in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena – im Auftrag der Sanitätsakademie der Bundeswehr – von Tobias Dirnbacher (2002) die Ergebnisse der von ihm unter Lokalanästhesie in einem Zeitraum von 12 Monaten zahnärztlich behandelten Soldaten dokumentiert. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Belastungen des Patienten durch die intraligamentäre Anästhesie geringer sind als bei den konventionellen Lokalanästhesie-Methoden. Verglichen wurden die unterschiedlichen Effekte und Belastungen der angewandten Lokalanästhesie-Methoden Leitungsanästhesie, Infiltrationsanästhesie und intraligamentäre Anästhesie [6] (Tab. 2). Für die intraligamentalen Injektionen wurden ausschließlich Dosierradspritzen (Abb. 3) und systemadaptierte Kanülen 0,3/13 mm mit extrakurzem Anschliff verwendet. Appliziert wurde in allen Fällen, bei allen drei verglichenen Anästhesiemethoden – Leitungs-, Infiltrations- und intraligamentäre Anästhesie – das bewährte Anästhetikum Articain (4 %) mit Adrenalin 1:200.000 (Ultracain D-S, Sanofi-Aventis, Frankfurt) [17]. Die aufgestellten Hypothesen konnten in der Praxis überprüft werden. Alle Fragen ließen sich vollständig und überzeugend beantworten. Die ungewünschten Wirkungen sowohl bei der Leitungsanästhesie als auch bei der Infiltrations-(Terminal-)anästhesie wurden bestätigt:

  • Die Quote der Anästhesieversager betrug bei der Leitungsanästhesie 20,8 % und bei der Infiltrationsanästhesie 12,9 %. Bei der ILA wurden 7,4 % festgestellt.
  • Die Latenzzeit zwischen Injektion und Anästhesieeintritt lag bei der Leitungsanästhesie über 3,8 Minuten und bei der Infiltrationsanästhesie über 3,9 Minuten. Bei der ILA wurde praktisch keine Latenzzeit festgestellt.
  • Nach Leitungs- und Infiltrationsanästhesie war die Dispositionsfähigkeit der Patienten eingeschränkt, bei 76,2 bzw. 73,8 % länger als 4 Stunden. Bei der ILA wurde in 1,5 % der Fälle eine durch die Leitungsanästhesie- und Infiltrationsanästhesie- Nachinjektionen bedingte Beeinträchtigung der Dispositionsfähigkeit dokumentiert.
  • Unter den Beeinträchtigungen wurden Taubheitsgefühl (Leitungsanästhesie: 98,5 %, Infiltrationsanästhesie: 92 %, ILA: 1 %) und Herz-Kreislauf-Belastung (Leitungsanästhesie: 5,4 %, Infiltrationsanästhesie: 1,8 %, ILA: 0 %) genannt. Bei der Infiltrationsanästhesie wurde in 2,4 % der Fälle über Nasenlaufen bzw. Augentränen berichtet. Bei der ILA gab es zwei Fälle (1 %) von Elongationsgefühl.

Schwerwiegende Beeinträchtigungen durch Läsionen des N. mandibularis oder des N. lingualis wurden nicht festgestellt. Wegen der relativ begrenzten Fallzahl pro Lokalanästhesie- Methode konnten keine evidenzbasierten Antworten zum Vergleich der drei Methoden zur Thematik der Schmerzausschaltung bei definierten Indikationen und spezifischen Patientengruppen gemacht werden. Konkret wurden die folgenden Fragen erst durch weitere klinische Studien beantwortet:

  • Ist es möglich, bei indizierten endodontischen Behandlungen – in vielen Fällen auch bei akuten Entzündungen – durch intraligamentale Injektionen eine ausreichende Schmerzausschaltung zu erreichen?
  • Können durch minimalinvasive intraligamentale Injektionen auch bei parodontal vorgeschädigten Patienten intraligamentäre Anästhesien erreicht werden?
  • Ermöglichen moderne Instrumentarien und Techniken auch Quadraten umfassende Anästhesien für Parodontitisbehandlungen (geschlossenes Vorgehen)?
  • Ist es mittels Einzelzahnanästhesien auch möglich, Reihenextraktionen ohne artikulatorische und mastikatorische Beeinträchtigungen des Patienten durchzuführen?
  • Können mittels angepasster intradesmodontaler Injektionen auch retinierte Zähne extrahiert bzw. osteotomiert werden?
  • Ist eine Behandlung von Patienten mit hämorrhagischer Diathese oder bei Medikation von Antikoagulantien unter intraligamentärer Anästhesie risikolos möglich?
  • Kann die intraligamentäre Anästhesie die Leitungs- und die Infiltrationsanästhesie substituieren?

Zusammenfassung und Ausblick

Mittels der modernen Instrumentarien für intraligamentale Injektionen ist es weitgehend möglich, die minimalinvasive Methode der intraligamentären Anästhesie (ILA) bei – fast – allen zahnärztlichen Indikationen und Patienten anzuwenden. Bei Beherrschung der Methode durch den Behandler, die Anwendung adäquater Instrumentarien und die Applikation bewährter Anästhetika mit Adrenalin ist die intraligamentäre Anästhesie eine primäre Methode der zahnärztlichen Lokalanästhesie. Die systemimmanenten Risiken der konventionellen Lokalanästhesie- Methoden Leitungs- und Infiltrationsanästhesie sind bei der ILA nicht gegeben: kein Gefäß- und/oder Nervkontakt bei der Insertion der Kanüle und keine stundenlange artikulatorische und mastikatorische Einschränkung des Patienten nach Abschluss der Behandlung. Die Studien zur Schmerzausschaltung vor endodontischen und parodontologischen Behandlungen und auch zu Details vor Extraktionen und Osteotomien und der generellen Frage, ob die intraligamentäre Anästhesie die Leitungs- und auch die Infiltrationsanästhesie substituieren kann, werden im 2. und 3. Teil dieser Artikelserie evidenzbasiert betrachtet und beantwortet.

Interessierte finden tiefergehende Inhalte im Spitta Fachbuch zur Intraligamentären Anästhesie:
www.spitta.de/intraligamentaere-anaesthesie

Weiterführende Links

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