Allgemeine Zahnheilkunde


Der Interdentalraum: Klinische Aspekte, Diagnostik und Prävention

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Bürstchen oder Zahnseide? Das ist nicht die entscheidende Frage, wie der folgende Beitrag vor Augen führt. Vielmehr sollte die individuelle Ausprägung des Interdentalraums beim Patienten erfasst und bei Prävention und Therapie berücksichtigt werden. Die wichtigsten Aspekte werden im folgenden Beitrag dargestellt: Die anatomischen, physiologischen und diagnostischen Besonderheiten der Prädilektionsstelle „Interdentalraum“ bei natürlichen Zähnen und beim Implantat.

Bei der Entstehung entzündlicher Prozesse an Zahn und Implantat sind in den meisten Fällen Bakterien beteiligt. Weitere modifizierende Faktoren spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, wie die individuelle Immunabwehr, der Einfluss systemischer Erkrankungen sowie Verhaltens- und Umgebungsfaktoren. Sie bestimmen letztendlich die individuelle Krankheitsausprägung mit [1]. Eine konsequente Expositionsprophylaxe wäre sicherlich eine Möglichkeit, die Krankheitsentstehung und -progredienz zu beeinflussen, ganz im Sinne des Postulats von Miller: „Ein sauberer Zahn wird nicht krank.“ Dies ist mitunter aber – wie wir alle wissen – ein schwieriges Unterfangen oder bleibt gar eine Wunschvorstellung, da viele Patienten keine perfekte Mundhygiene leisten können, selbst bei bester Instruktion und Motivation [2].

Besonders herausfordernd ist die Situation an Zahnarealen, die schwierig zu reinigen sind, wie z.B. Interdentalräume. Wem ist noch nie eine Fleischfaser oder ein anderer Essensrest zwischen den Zähnen stecken geblieben, die sich nur mühselig und nur mit geeigneten Hilfsmitteln entfernen ließen [3]? Dieses einfache Beispiel aus dem täglichen Leben führt vor Augen, dass Nahrungsreste und darauf aufgepfropft Bakterien in Form von Plaque – oder heute eher Biofilm genannt – in Interdentalräumen eine willkommene ökologische Nische finden. Denn die selbstreinigende Wirkung von Zunge, Wange, auch in Kombination mit Speichel, ist im Interdentalraum reduziert. Bei oder nach einer parodontalen oder periimplantären Erkrankung ist aufgrund eines Zahnfleischrückganges die Situation zusätzlich erschwert, v.a. wenn dies mit einem Papillenverlust und Rezessionen einhergeht [4].

Anatomie des Interdentalraumes

  • Abb. 1: Die Ausfüllung und Erscheinung der Papille ist abhängig von diversen Faktoren. Vor allem der Gingivamorphotyp, der Interdentalabstand, die Lage des Alveolarknochens und des Kontaktpunktes sind wichtige Faktoren für die Ausformung.

  • Abb. 1: Die Ausfüllung und Erscheinung der Papille ist abhängig von diversen Faktoren. Vor allem der Gingivamorphotyp, der Interdentalabstand, die Lage des Alveolarknochens und des Kontaktpunktes sind wichtige Faktoren für die Ausformung.
    © Prof. Dr. Schmidlin
Der Interdentalraum liegt – wie der Name schon sagt – zwischen 2 benachbarten Zähnen und wird durch die Zahnkronen und Wurzeln derselben gegen mesial und distal begrenzt. Ausgefüllt wird er oberhalb des interdentalen koronalen Alveolarknochens mit einem Weichgewebe, das unter physiologischen Umständen eine den Zwischenraum ausfüllende komplexe Weichgewebestruktur, die Papille, bildet. Letztere ist je nach gingivalem Morphotyp und Zahnstellung mehr oder weniger spitz zulaufend und voluminös. Die Ausformung der Papille, respektive der Verschluss des interdentalen Raumes, ist abhängig von diversen Faktoren, wie dem Abstand der Wurzeln/Zähne, der Höhe und Lage des interdentalen Knochens sowie der Lage des Kontaktpunktes (Abb. 1) [5]. Vor allem der Abstand des Kontaktpunktes der Zähne zum Knochen bestimmt die Wahrscheinlichkeit, mit der eine komplette Papille ausgeformt wird (Abb. 2). Dies trifft auch bei Implantaten zu [6].

  • Abb. 2: Die Beziehung von Kontaktpunkt und Knochenniveau bzw. deren Abstand definieren die vollständige Ausprägung der Papille. Ein Abstand von ? 4 bis 5 mm resultiert in einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Papille formt.

  • Abb. 2: Die Beziehung von Kontaktpunkt und Knochenniveau bzw. deren Abstand definieren die vollständige Ausprägung der Papille. Ein Abstand von ? 4 bis 5 mm resultiert in einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Papille formt.
    © Prof. Dr. Schmidlin
Die labialen respektive bukkalen sowie die lingualen respektive oralen Papillen verbindet der sogenannte Col (lat. = Sattel), der eine konkave und nicht-keratinisierte Struktur aufweist. Bei größerem Abstand verläuft dieser zunehmend konvex und ist keratinisiert [7].

Klinische Aspekte: Einige Besonderheiten bei Implantaten

Der supraalveoläre Weichgewebskomplex gestaltet sich bei Implantaten anders als bei natürlichen Zähnen. Ein offensichtlicher Unterschied liegt in der Osseointegration; auch die Weichgewebsintegration zeigt bei Implantaten eine abweichende Charakteristik in den folgenden Punkten [8,9]:

  • Das Saumepithel ist länger.
  • Der Epithelansatz ist nicht durch Hemidesmosomen geprägt.
  • In der Regel gibt es keine in die Oberfläche inserierenden Sharpey-Fasern.
  • Das supraalveoläre Bindegewebe (Faserverlauf und Dichte) entspricht eher einem Narbengewebe.
  • Die biologische Breite ist insgesamt ausgeprägter.

Demnach sind, entsprechend der jeweiligen Ausprägung, pathophysiologische Einflüsse auf die individuelle Entzündungsantwort gegeben [10]. Einerseits scheinen die Gewebe bei initialen Entzündungen (z.B. experimentelle Mukositis) weniger stark auf den bakteriellen Reiz zu reagieren. Das führt zu einem geringeren Infiltratvolumen als bei natürlichen Zähnen, da wohl die Durchblutung des eher derben und narbigen Gewebes um das Implantat nicht wie die natürliche Weichgewebestruktur zu reagieren vermag. Andererseits ist die Ausprägung der Entzündung bei Persistenz und Progression zu einer Periimplantitis wiederum viel stärker, was sich in einem vergleichsweise größeren Infiltratdurchmesser äußert. Zudem fehlt eine intakte gesunde trennende Gewebeschicht bei Implantaten im fortgeschrittenen Entzündungsstadium; d.h. das entzündliche Infiltrat tritt in direkten Kontakt zum Knochen [11]. Dies hat Konsequenzen auf die Sondierung: Bei einem Druck von 25 g wird die Sonde bei Implantaten nicht von einer intakten Gewebeschicht abgefedert, sondern hier wird ein Bone Sounding durchgeführt [12].

Beim Implantat: Papillenzwischenräume und Hygienefähigkeit

Was das Vorhandensein typischer Papillen und eines Col wie oben beschrieben betrifft, ist die Situation bei Implantaten gerade bei Versorgungen mit benachbarten Implantaten eine besondere Herausforderung und nur unter optimalen Bedingungen und bei guter Planung zu erreichen. Die Knochenhöhe und der Abstand zum Kontaktpunkt sowie der Abstand zwischen den Implantaten sind die kritischsten Parameter. Bei Letzterem konnte eine kürzlich veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit zeigen, dass in Abhängigkeit der Referenzpunkte, lediglich in 21 bis 89% der Fälle die Mukosa zwischen Implantaten mehr als die Hälfte der Papillenzwischenräume auffüllte [13]. Betrachtet man den Faktor Abstand zwischen Knochen und Kontaktpunkt, ist dieser sehr variabel in den Studien (2 bis 11mm) und eine teilweise respektive komplette Auffüllung der Zwischenräume wurde zwischen 57 und 100% vorgefunden [14].

  • Abb. 3: Weichgewebekragen bei einem Implantat: Gerade bei tief gesetzten Implantaten (wie im ästhetischen Bereich oftmals der Fall) ist die Gesunderhaltung der Gewebe und die optimale Ausformung eine Herausforderung (A/B). In vielen Fällen bleibt der Interdentalraum nur unvollständig ausgeformt (C).

  • Abb. 3: Weichgewebekragen bei einem Implantat: Gerade bei tief gesetzten Implantaten (wie im ästhetischen Bereich oftmals der Fall) ist die Gesunderhaltung der Gewebe und die optimale Ausformung eine Herausforderung (A/B). In vielen Fällen bleibt der Interdentalraum nur unvollständig ausgeformt (C).
    © Prof. Dr. Schmidlin
Insgesamt scheint ein Abstand zwischen 2 Implantaten von mindestens 3 mm bezüglich Knochenerhalt erstrebenswert zu sein [15]. Betreffend Abstand Knochen-Kontaktpunkt wurden Mindestwerte von 5 mm beschrieben [16]. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, bleibt in den meisten Fällen ein Hohlraum (Engl. „black hole“), der nicht nur ästhetisch kritisch sein kann, sondern v.a. ein Risiko für die Retention von Nahrungsmittelresten und Plaque und infolge dessen, eine Herausforderung für die Reinigung und Gesunderhaltung darstellt (Abb. 3).

Auswirkung von Gingivitis und Parodontitis auf Papillen

Eine initiale experimentelle Gingivitis führt in der Regel noch zu keinen deutlich sichtbaren morphologischen klinischen Veränderungen der Papillenregion [17]. Vielmehr scheinen Textur- und Formveränderungen vorwiegend sekundäre Effekte einer chronischen Infektion zu sein. Manche Studien zeigen – basierend auf histophysiologischen Gewebeveränderungen – v.a. eine deutliche Vermehrung des Sulkusfluids bereits nach 96 Stunden sowie eine messbare Ödembildung [18]. Dabei entspricht die Zunahme der Papillenhöhe etwa 0,2 mm. Bei Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Kalzium-Antagonisten, Immunsuppressiva etc.) können Papillen im Sinne einer Hypertrophie oder Hyperplasie in Kombination mit einem bakteriellen Reiz jedoch deutlicher anschwellen [19].

Im Rahmen des Attachmentverlustes bei Parodontitis erfahren die Interdentalräume in den meisten Fällen eher eine negative Formveränderung [20]. Dieser führt v.a. nach Therapie zu einer Reduktion der Papillenhöhe und des Volumens, wobei die Papillen meistens dem Knochenverlauf folgen und nach oben beschriebenen Kriterien in Abhängigkeit des Knochenniveaus und der Kontaktpunktgestaltung mehr oder weniger eine regelrechte Papille ausformen. Man spricht sogar von „Black-hole-Disease“, wenn der Papillenverlust dunkle Interdentalräume hinterlässt. Das Management dieser Komplikation wurde andernorts beschrieben [5]. Grundsätzlich wird durch geeignete Therapiekonzepte bzw. mittels regenerativer Ansätze versucht, die Papillen möglichst zu erhalten oder durch Wiedererlangen der determinierenden Kriterien zu erreichen. Ein Papillenaufbau ist bis heute nicht, nur sehr begrenzt oder nicht voraussagbar v.a. in eher anekdotischen Publikationen beschrieben.

Akute nekrotisierende Erkrankungen

Bei nekrotisierenden parodontalen Erkrankungen ist v.a. die Papille betroffen [22]. Diese Affektion ist in der Regel schmerzhaft und blutet zum Teil spontan. Weitere typische Merkmale sind neben dem Vorliegen von Papillennekrosen pseudomembranöse Beläge und – daraus resultierend bei fortgeschrittenen Verläufen – ein inverser Papillenverlauf (d.h., dass das Niveau der interdentalen Papille tiefer liegt als die bukkale Gingiva). Die Ursache ist in der Regel eine bakterielle Besiedlung mit Infiltration des meist nicht-keratinisierten Gewebes mit beweglichen gramnegativen und (fakultativ) anaeroben Bakterien, was auch die historische Bezeichnung „Spirochätose“ erklärt [22].

Viele Patienten sind Raucher, haben Stress und weisen eine schlechte bis suboptimale Mundhygiene auf. Die Behandlung besteht aus einem gründlichen Debridement und einer symptomatischen Schmerzbehandlung sowie bei Bedarf einer antiinfektiösen und sogar systemischen antibiotischen Therapie bei schlechtem Allgemeinzustand und systemischen Implikationen. Ansonsten werden auch geeignete topische Mittel zur Schmerzlinderung und Bakterienreduktion verwendet. Eine angepasste Mundhygiene mit Interdentalraumpflege ist – zum rechten Zeitpunkt und richtig instruiert – essenziell.

Diagnostik im Interdentalraum: Plaquemenge, Blutungsneigung und Sondierungstiefe

Die direkte Inspektion des Interdentalraums ist schwierig. Eine gute Beleuchtung und Vergrößerungshilfen sind essenziell. Die Plaquebestimmung mit Plaquerelevatoren erscheint sinnvoll [23]. Es gibt diverse Indices, jedoch sind einige davon sehr komplex und für die Praxis weniger geeignet. Ein dichotomer Befund (ja/nein) empfiehlt sich, allerdings erlaubt das Resultat keine Aussagen über die Belagsmenge. Besonders wichtig ist hier, dass das Team die Befunde hinsichtlich Belagsmenge einheitlich beurteilt. Nur so kann die Mundhygiene über längere Zeit konstant und stabil beurteilt werden. Die Anfärbung dient auch dazu, den Patienten im Rahmen der Instruktion und Motivation auf schwer zu reinigende Stellen und auf Vor- und Nachteile individueller Mundhygiene-Hilfsmittel aufmerksam zu machen. Dem Patienten sollten geeignete Techniken gezeigt und diese mit ihm eingeübt werden; wenn nötig auch in mehreren Sitzungen [24].

Der Messung der Taschentiefen und der Blutung kommt im Interdentalraum eine ebenso wichtige Rolle zu, wie der Bestimmung des ätiologischen Agens. Eine Blutung in der Interdentalraumregion ist in jedem Fall ein wichtiger Befund, da eine positive Blutung bei Vorhandensein von Restaurationen auch ein Hinweis auf insuffiziente Restaurationsränder oder auf Karies sein kann, da etwaige Plaqueretentionsnischen eine entzündliche Antwort der Papillenregion verursachen [25]. Neben dem einfachen Bluten auf Sondieren macht unter gewissen Umständen auch der Papillenblutungsindex Sinn [26]. Allerdings wird dieser v.a. bei Studien und bei der unmittelbaren Überwachung und Instruktion der approximalen Mundhygiene verwendet. Des Weiteren stehen spezifische Untersuchungsmethoden für den Interdentalraum zur Verfügung, die einen mechanischen Reiz mit Zahnholz oder Interdentalraumbürste provozieren und ebenfalls im Rahmen der Mundhygieneinstruktion ihren wertvollen Einsatz haben, da die Diagnose und das Monitoring mit identischen Hilfsmitteln durchgeführt werden [27]. Bei der Interpretation von Blutungsbefunden müssen Faktoren wie Rauchen, ein erhöhter Blutdruck und gegebenenfalls die Einnahme von Antikoagulanzien berücksichtigt werden.

Bei Implantaten ist die Diagnostik ähnlich, wobei angesichts der vorwiegend keramischen Kronenversorgungen die Plaqueadhärenz und -menge in den meisten Fällen geringer ausfällt. Dabei ist die anatomische Ausgestaltung des Implantat-Restaurationskomplexes oftmals eher ungünstig für eine gründliche Reinigung oder verlangt eine genaue Analyse der jeweiligen erforderlichen Hygienemaßnahmen. Bezüglich Sondierungstiefe und Blutungsneigung gelten die oben erwähnten anatomischen Besonderheiten, welche individuell zu beurteilen und interpretieren sind. Auf jeden Fall sollten Implantate regelmäßig sondiert werden [28,29]. Althergebrachte Betrachtungsweisen und Ängste, Sondieren könne einen Schaden verursachen, sind zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, doch scheinen bleibende Schäden nicht nachweisbar zu sein. Die diagnostischen Vorteile überwiegen bei Weitem – Sondieren ist notwendig, um initiale Entzündungen und eine Progression rechtzeitig zu erkennen und diese prophylaktisch/therapeutisch anzugehen. Dennoch kann das Sondieren auch zu einer Übertherapie führen, da die Sondierungswerte bei (v.a. bei tief(er) gesetzten) Implantaten in der Regel immer etwas erhöht vorliegen und vorsichtig, im Rahmen einer Gesamtdiagnostik, beurteilt werden müssen [30].

Hilfsmittel zur Reinigung: Indikation und Wertung

  • Abb. 4: Beispiel für die Untersuchung der Reinigungswirkung im Labor. Hierzu werden standardisierte Zahnmodelle mit Titanoxid eingefärbt, um die Zugänglichkeit (Entfernbarkeit) zu messen (A). Mit standardisierten Bewegungen, die mit einer Bürstmaschine simuliert werden, findet eine Reinigung statt (B). Je nach Bürste fällt die Reinigung schlechter (C) oder besser (D) aus. Vor allem bleiben aber in der Regel die Interdentalräume unberührt.

  • Abb. 4: Beispiel für die Untersuchung der Reinigungswirkung im Labor. Hierzu werden standardisierte Zahnmodelle mit Titanoxid eingefärbt, um die Zugänglichkeit (Entfernbarkeit) zu messen (A). Mit standardisierten Bewegungen, die mit einer Bürstmaschine simuliert werden, findet eine Reinigung statt (B). Je nach Bürste fällt die Reinigung schlechter (C) oder besser (D) aus. Vor allem bleiben aber in der Regel die Interdentalräume unberührt.
    © Prof. Dr. Schmidlin
Das Hauptreinigungsmittel für die Zahnpflege ist und bleibt die Zahnbürste. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede bezüglich ihrer Effizienz, welche sich hauptsächlich in der Zugänglichkeit und Reinigbarkeit der Zahnareal äußert (Abb. 4). Der Interdentalraum bleibt eine Schwachstelle, da er schwer erreichbar und daher schwer zu säubern ist.

Es gibt eine Vielzahl von Darreichungsformen, Materialien und Formen von Interdentalraum-Pflegeprodukten; angefangen mit der einfachen Zahnseide oder Zahnhölzern bis hin zu Interdentalraumbürsten und sogenannten Sticks. Alle Materialien haben Vorund Nachteile und finden Anhänger beim Prophylaxepersonal und Patienten. Unbedingt sollten die Produkte individuell auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Patienten angepasst instruiert und verwendet werden. Insofern gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“ in der hohen Kunst der Interdentalraumpflege. Gut sind grundsätzlich alle Hilfsmittel, die Plaque entfernen, die Entzündung effektiv bekämpfen und möglichst wenig Schaden an der Zahnhartsubstanz und den Weichgeweben verursachen. Und wenn das Reinigen der Zwischenräume bei den meisten Patienten schon keine allzu lustvolle Tätigkeit ist, sollte diese doch wenigstens einfach und effizient durchführbar sein.

  • Abb. 5: Vorliegen diverser konvexer und konkaver Areale bei einem Beispielzahn (Prämolar; A). Während im Kronengebiet vorwiegend konvexe Zahnareale vorliegen, die für die Zahnseide bei richtiger Handhabung und Adaptation zugänglich sind, bleibt unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze die Reinigung eine Herausforderung. In Richtung Apex und Furkation (B -> C) stellen sich die Einziehungen akzentuierter dar.

  • Abb. 5: Vorliegen diverser konvexer und konkaver Areale bei einem Beispielzahn (Prämolar; A). Während im Kronengebiet vorwiegend konvexe Zahnareale vorliegen, die für die Zahnseide bei richtiger Handhabung und Adaptation zugänglich sind, bleibt unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze die Reinigung eine Herausforderung. In Richtung Apex und Furkation (B -> C) stellen sich die Einziehungen akzentuierter dar.
    © Prof. Dr. Schmidlin
Empfohlen werden – neben der Zahnbürste als Grundhilfsmittel (s.o.) – v.a. Interdentalraumbürsten. Für ihre Effektivität liegt ein hohes Evidenzniveau vor und sie führen zur größten Gingivitisreduktion [31]. Wenn ein enger Zahnzwischenraum keine Bürste zulässt, kann bei entsprechenden Risikopatienten auch die Zahnseide empfohlen werden [31]. Im Gegensatz zu Interdentalbürstchen hat die Zahnseide bei Konkavitäten und Einziehungen wenig Berührungsfläche und kann daher gerade im Fall von entsprechenden Zahn- und Wurzelanatomien v.a. bei Attachmentverlust nicht adäquat eingesetzt werden (Abb. 5).

  • Abb. 6: Die Reinigungseffizienz von Interdentalraumbürsten wird durch die Form und Zugänglichkeit beeinflusst. Zylindrische Bürsten haben je nach Durchmesser gewisse Defizite bezüglich der Reinigbarkeit (A), während anatomisch angepasste Bürstenköpfe – zum Beispiel mit einem taillierten Design – auch schwierig zugängliche Stellen reinigen und auch bei größeren Kopfdurchmessern eine bessere Durchgängigkeit aufweisen. Besonders bei Implantaten können solche Konzepte hilfreich sein.

  • Abb. 6: Die Reinigungseffizienz von Interdentalraumbürsten wird durch die Form und Zugänglichkeit beeinflusst. Zylindrische Bürsten haben je nach Durchmesser gewisse Defizite bezüglich der Reinigbarkeit (A), während anatomisch angepasste Bürstenköpfe – zum Beispiel mit einem taillierten Design – auch schwierig zugängliche Stellen reinigen und auch bei größeren Kopfdurchmessern eine bessere Durchgängigkeit aufweisen. Besonders bei Implantaten können solche Konzepte hilfreich sein.
    © Prof. Dr. Schmidlin
Eine individuelle Risikoevaluation ist notwendig. Neue Bürstendesigns erleichtern die Reinigung von schwierig zugänglichen Arealen, wie z.B. den lingualen und bukkalen „Line Angle“-Bereich [32,33] (Abb. 6).

Es ist fraglich, ob ein Entweder-Oder sinnvoll ist oder eher gezielt 2 Instrumente zum Einsatz kommen dürfen: Gerade bei Patienten mit zusätzlich erhöhtem Kariesrisiko kann neben der Interdentalbürste auch die Zahnseide empfehlenswert sein; ebenso bei ausgedehnten Füllungs- und Restaurationsrändern.

Zusammenfassung und Ausblick

Es gibt kein Wundermittel und keine Zauberformel für eine perfekte Mundhygiene und die Interdentalraumpflege. Wie im Artikel dargestellt, ist das Erscheinungsbild und die Ausprägung des Interdentalraums von vielen Faktoren abhängig. Wichtig ist, dass man individuell auf die Situation eingeht und die Hilfsmittel anpasst. Zeit und Empathie sind wichtige Erfolgsfaktoren. Die Erfolge müssen immer wieder überprüft und die Maßnahmen individuell angepasst werden. Eine Kombination von Hilfsmitteln ist in den meisten Fällen notwendig, man sollte aber berücksichtigen, dass die Patienten schnell überfordert werden und darunter die Compliance leiden kann.

Es gibt immer noch Möglichkeiten zur Optimierung der Mundhygienehilfsmittel, damit die Zugänglichkeit weiterhin verbessert werden kann. Dies bleibt eine Herausforderung und die Industrie ist sich dieser Aufgabe wohl bewusst, v.a. auch, weil dieser Markt hart umkämpft ist. Das wichtigste Instrument aber bleiben die Hände des Patienten. Diese Tatsache stellt uns bei Kindern und älteren Patienten vor große Probleme, die uns künftig vermehrt beschäftigen werden. In dem Zusammenhang bleibt die langfristige Gesunderhaltung der Gewebe unser oberstes Primat – denn vorsorgen ist immer besser als heilen!

Interessenskonflikt:

  • Patrick Schmidlin: Firma Top Caredent: Vortragshonorare, Beratungstätigkeit sowie Studienunterstützungen
  • Adrian Lussi: Entwicklung des in Abbildung 6 gezeigten Halters mit Implantatbürste (topcaredent.de), keine Honorare

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