Allgemeine Zahnheilkunde


Bearbeitung von Wurzeloberflächen: Küretten und maschinelle Scaler im Fokus

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Maschinelle Systeme und Handinstrumente sind zur Bearbeitung von Wurzeloberflächen gleichermaßen effektiv. Das stellt das Autorenteam in diesem Beitrag auf Basis der aktuellen Studienlage und eigener Untersuchungen fest. In jedem Fall sollte der Behandler auf eine systematische Arbeitsweise achten, denn nur so ist ein effizientes und hartsubstanzschonendes Débridement möglich. Aber auch, wenn eine ähnliche Effektivität für manuelles und maschinelles Arbeiten erreicht werden kann, haben die verschiedenen Systeme doch unterschiedliche Vorund Nachteile, wie im Folgenden deutlich wird. Die Autoren geben Empfehlungen, welche Instrumente je nach Kontext der Wurzeloberflächenbehandlung geeignet erscheinen.

Aufgrund von Überlieferungen weiß man heute, dass schon die Ägypter vor mehr als 3000 Jahren nichtchirurgische Parodontitistherapien durchgeführt haben [2], und rund 2000 Jahre später beschreibt der arabische Arzt Albucasis (Abu el Quasim, Cordoba, 936–1013 n. Chr.) bereits sehr detailliert die erfolgreiche Anwendung von Handinstrumenten in seinem Hauptwerk „De Chirurgia“. Bis heute ist die mechanische Wurzeloberflächenbearbeitung, das Débridement, englischsprachig auch Scaling und Root Planing (SRP) genannt, essentieller Teil jeder erfolgreichen Parodontitistherapie [2]. Während weiche, supragingivale, bakterielle Plaque durch individuelle Mundhygienemaßnahmen vom Patienten selbst entfernt werden kann [3], bedarf es für die Entfernung eines subgingivalen Biofilms oder mineralisierter Auflagerungen professionellen Einsatzes [1]. Im Folgenden soll die Anwendung verschiedener Instrumente zur Entfernung des Biofilms sowie harter Auflagerungen von der Wurzeloberfläche näher diskutiert werden. Dabei erheben die Autoren keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da im Laufe der jüngsten Jahrzehnte eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente entwickelt wurde. Gemeinsam ist allen Systemen, dass sie auf die Zerstörung des Biofilms bei gleichzeitiger Reduzierung der parodontalpathogenen Mikroorganismen und damit Schaffung einer bioakzeptablen Wurzeloberfläche zur Ausbildung eines epithelialen oder sogar bindegewebigen Attachments zielen [4,5].

Ziele der Wurzeloberflächenbearbeitung

Ein wesentliches Ziel der Parodontitistherapie ist es, die Menge (Masse) der bakteriellen Erreger auf ein Niveau (kritisch) zu reduzieren, welches sich in einem Gleichgewicht zwischen Angriff (Biofilm) und Abwehr (Host-Reaktion) des Patienten befindet, d. h. eine Situation, in der keine klinische Entzündung mehr vorliegt. Nach heutigem Verständnis wird dieses erreicht, wenn die Ökologie der Mundhöhle physiologische Bedingungen für den oralen Biofilm gewährleistet. Die teilweise vorherrschende Ansicht und der Anspruch, durch ein Débridement alle subgingivale Plaque und Zahnstein entfernen zu können, ist aufgrund diverser klinischer Einschränkungen eine Illusion. Morphologische Besonderheiten wie Einziehungen an Wurzeln oder Furkationen [6,7] sowie Limitationen der Instrumente machen dies unmöglich [2]. Dennoch gibt die Literatur eindeutige Hinweise, dass ein Langzeiterfolg durch eine nachfolgende unterstützende Parodontitistherapie (UPT) – unabhängig von der Wahl eines offenen oder geschlossenen Débridements – möglich ist [8–12]. Dies klingt paradox, lässt sich aber anhand des „kritischen Maßes“ erklären [13], wobei wir annehmen, dass bereits eine 70- bis 80%ige Instrumentierung für den Erfolg ausreichend ist. Trotzdem gestaltet sich die Kontrolle der Qualität der mechanischen Wurzeloberflächenbearbeitung in vivo schwierig. Derzeit ist dies i. d. R. nur durch Abwarten der Ausheilung mit Verbesserung von Surrogatparametern wie Sondierungstiefe, Attachmentniveau und Blutung auf Sondierung möglich. Eine Überprüfung, wie sie beispielsweise von Geisinger et al. [14] und Avradopoulos et al. [15] mithilfe von Perio-/Endoskopen im Sulkus beschrieben wurde, erscheint zurzeit für die Praxis, aufgrund der Komplexität in der Anwendung, weder sinnvoll noch rentabel.

Instrumente zur Wurzeloberflächenbearbeitung

Prinzipiell unterscheidet man zwischen manuellen und maschinellen Instrumenten. In die Gruppe der Handinstrumente gehören Scaler für die supragingivale und Küretten für die supra- und subgingivale Anwendung. Scaler haben stets einen dreieckigen Querschnitt mit zwei aufgeschärften Schneidekanten, welche spitz aufeinander zulaufen. Küretten hingegen haben parallele Kanten mit abgerundeten Arbeitsenden. Die Außenkanten sind bei Universalküretten ähnlich wie beim Scaler an beiden Seiten aufgeschliffen und unterscheiden sich damit von den nur einseitig scharfen Spezialküretten. So lässt sich bei korrekter Anwendung von Spezialküretten eine Traumatisierung der umliegenden Weichgewebe vermeiden. Zudem besitzen sie einen abfallenden Winkel zwischen Arbeitsende und erstem Schaft und können dadurch nur spezifisch an bestimmten Zahnflächen eingesetzt werden.

Ebenso lässt sich auch die Gruppe der maschinellen Systeme auffächern. Die am weitesten verbreiteten Systeme sind Schall- und Ultraschallscaler, aber auch spezielle rotierende oder oszillierende Geräte, wie beispielsweise der EVA-Kopf L61 (KaVo Dental, Biberach/Riß), wurden beschrieben [16,17]. Eine maschinelle Sonderform zur ausschließlichen Entfernung des Biofilms stellen Pulver-Wasserstrahl-Geräte (PWS) dar, deren Einsatz in der Prophylaxe und gegebenenfalls Parodontitistherapie derzeitig im Sinne eines Paradigmenwechsels diskutiert wird [18]. Da aber die Entfernung von harten Auflagerungen mit PWS-Geräten nicht möglich ist, soll im Folgenden nur der Gebrauch von Schall- und Ultraschallscalern sowie Spezialküretten näher beleuchtet werden.

Handinstrumente

Anwendung

Jeder Anwender, der regelmäßig mit Küretten die Zahnoberfläche bearbeitet, weiß, dass dies anstrengend sein kann und zeitaufwendig erscheint. Mittels eines strukturierten Trainingsprogrammes [19] ist es aber möglich, die Effektivität der Handinstrumentierung deutlich zu steigern. Zudem zeigen verschiedene Invitro- Studien, dass ein Débridement genauso schnell wie mit maschinellen Scalern möglich ist [20–22]. Dies scheint jedoch anwenderabhängig und unabhängig vom verwendeten Instrument. Ein gutes Ergebnis lässt sich nur durch eine systematische Arbeitsweise mit sich wiederholenden überlappenden Arbeitsbahnen (s. a. Abb. 5) erreichen. Insbesondere Behandler mit wenig Routine in der Wurzeloberflächenbearbeitung sollten dies beachten und zur Verbesserung des Erfolgs die Verwendung des jeweiligen Instrumentes regelmäßig trainieren [20–22].

Innovationen möglich?

Bei der Verwendung von Spezialküretten wird aufgrund der Seitenspezifität ein Wechseln bzw. Umgreifen der Instrumente notwendig. In einer aktuellen Studie testeten wir deshalb neuentwickelte zweischneidige Spezialküretten (Anterior-and-Posterior-Kürette, American Eagle Instruments, Missoula, USA), die die Vorteile von Universal- und Spezialküretten vereinen sollen (Abb. 1). Bei diesen Küretten liegen die beiden Schneiden gegenüber und fallen durch eine satteldachartige Gestaltung der Fazialfläche nach rechts und links um 110° zum Einserschaft ab. Somit erlauben sie die Bearbeitung sowohl der mesialen als auch distalen, beziehungsweise der oralen und bukkalen Flächen ohne ein Wechseln der Kürette. Dadurch konnten sämtliche Zähne eines Quadranten im Mittel in rund 3 Minuten/Zahn bearbeitet werden, was bis zu einer Minute schneller war als mit dem verglichenen Ultraschallscaler (Tigon+, W&H, Bürmoos, Österreich). Mit 73 % vollständiger Entfernung der simulierten nichtmineralisierten Auflagerungen je Fläche waren die Ergebnisse auch ähnlich effektiv. Einzig der ebenfalls getestete Schallscaler (Synea, W&H, Bürmoos, Österreich) war mit 80 % entferntem Biofilm signifikant effektiver (p < 0,001) und nicht signifikant zeitintensiver [22]. Allerdings fanden sich durchaus Limitationen. Im Vergleich zu anderen Studien mit gleichem Versuchsaufbau entfernten die neuen Handinstrumente nahezu 10 % weniger Plaque [20,21] als konventionelle Spezialküretten. Besonders die Instrumentierung der Mittenflächen von Molaren war mit den Double-Gracey-Küretten erheblich erschwert, was möglicherweise an der etwas geringeren Winkelung zwischen erstem und zweitem Schaft liegt. Hier ist die Gracey-Kürette 7/8 im Vorteil. Denkt man dazu noch an die Anwendung von speziellen Gracey-Küretten mit längerem 1er-Schaft oder noch zusätzlich kürzerem Arbeitsende (Abb. 2c), so sind diese deutlich besser geeignet, um in engen und tiefen Knochentaschen die Wurzeloberfläche suffizient zu bearbeiten (Abb. 2d). Dennoch scheinen die neuentwickelten Double- Gracey-Küretten aufgrund der Zeitersparnis und einfachen Handhabung eine sinnvolle Alternative zu konventionellen Handinstrumenten und und maschinellen Scalern darzustellen.

  • Abb. 1: Funktionsprinzip: (a) Universalkürette mit zwei Schneiden im 90°-Winkel zwischen 1er-Schaft und Fazialfläche; (b) Gracey-Spezialkürette mit einer Schneide im 110°-Winkel zwischen 1er-Schaft und Fazialfläche; (c) Double-Gracey-Spezialkürette mit zwei Schneiden im 110°-Winkel zwischen 1er-Schaft und Fazialfläche.
  • Abb. 2: Schaft- und Arbeitslängen verschiedener Gracey-Spezialküretten zur Instrumentierung distaler Wurzeloberflächen im Seitenzahnbereich: (a) Gracey-Kürette 17/18 mit starker Winkelung zwischen 1er- und 2er-Schaft zur erleichterten Instrumentierung von Weisheitszähnen oder gekippten Seitenzähnen, (b) Gracey- Kürette 13/14 mit normal langem Arbeitsende, (c) Mini-Gracey- Kürette 13/14 mit verlängertem Schaft und kürzerem Arbeitsende speziell zur Instrumentierung von tiefen/engen Knochentaschen (alle beispielsweise von Hu-Friedy, Chicago, USA, oder American Eagle Instruments, Missoula, USA); (d) Wurzeloberflächenbearbeitung im schematischem Querschnitt zur Verdeutlichung der Vorteile verschiedener Instrumentendesigns aus a bis c.
  • Abb. 1: Funktionsprinzip: (a) Universalkürette mit zwei Schneiden im 90°-Winkel zwischen 1er-Schaft und Fazialfläche; (b) Gracey-Spezialkürette mit einer Schneide im 110°-Winkel zwischen 1er-Schaft und Fazialfläche; (c) Double-Gracey-Spezialkürette mit zwei Schneiden im 110°-Winkel zwischen 1er-Schaft und Fazialfläche.
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  • Abb. 2: Schaft- und Arbeitslängen verschiedener Gracey-Spezialküretten zur Instrumentierung distaler Wurzeloberflächen im Seitenzahnbereich: (a) Gracey-Kürette 17/18 mit starker Winkelung zwischen 1er- und 2er-Schaft zur erleichterten Instrumentierung von Weisheitszähnen oder gekippten Seitenzähnen, (b) Gracey- Kürette 13/14 mit normal langem Arbeitsende, (c) Mini-Gracey- Kürette 13/14 mit verlängertem Schaft und kürzerem Arbeitsende speziell zur Instrumentierung von tiefen/engen Knochentaschen (alle beispielsweise von Hu-Friedy, Chicago, USA, oder American Eagle Instruments, Missoula, USA); (d) Wurzeloberflächenbearbeitung im schematischem Querschnitt zur Verdeutlichung der Vorteile verschiedener Instrumentendesigns aus a bis c.
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Schall- und piezoelektrische Scaler

Funktionsprinzip

Entwickelt wurden die maschinellen Systeme ursprünglich, um die Effizienz der Handinstrumente zu verbessern. Die kinetische Energie der in Schwingung versetzten Spitze ermöglicht eine weniger mühsame Bearbeitung der Wurzeloberflächen. Die notwendige Schwingungsenergie wird bei Schallscalern durch eine Luftströmung um einen Hohlzylinder erzeugt. Dabei entstehen Schwingungen der Arbeitsspitzen im hörbaren Schallbereich mit bis zu 6 kHz. Ultraschallscalerspitzen werden hingegen entweder magnetostriktiv oder piezoelektrisch zu Schwingungen bis 40 kHz angeregt.

Anwendung

  • Abb. 3: Schall- und Ultraschallscaler im Vergleich: „slimline“-Spitzen mit (a) Schall- (Synea, W&H, Bürmoos, Österreich) und (b) piezoelektrischen Ultraschallscalern (Tigon, W&H, Bürmoos, Österreich) mit vergrößerter Darstellung der (a1) Schallscalerspitze AP1 und (b1) Ultraschallscalerspitze P1.

  • Abb. 3: Schall- und Ultraschallscaler im Vergleich: „slimline“-Spitzen mit (a) Schall- (Synea, W&H, Bürmoos, Österreich) und (b) piezoelektrischen Ultraschallscalern (Tigon, W&H, Bürmoos, Österreich) mit vergrößerter Darstellung der (a1) Schallscalerspitze AP1 und (b1) Ultraschallscalerspitze P1.
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Der Vorteil maschineller Instrumente in schwierigen anatomischen Situationen ist unbestritten. In verschiedenen In-vitro- und In-vivo-Studien wurden Reinigungsleistungen von über 90% vollständiger Entfernung harter und weicher Auflagerungen auf subgingivalen Wurzeloberflächen erreicht [21,23,24]. Insbesondere Furkationen sind für maschinelle Systeme leichter zugänglich, verglichen mit Handinstrumenten; vielmehr können sogar Bereiche gereinigt werden, die für Handinstrumente nicht erreichbar sind [25]. Obwohl dies primär an der Geometrie der Spitzen liegt, lassen sich dennoch Unterschiede in der Effektivität der verschiedenen Antriebsmechanismen vermuten. Im Gegensatz zur eher rundlich schwingenden Spitze bei Verwendung eines Schallscalers [26] lässt sich die linear schwingende Spitze eines piezoelektrischen Antriebes schwieriger in der Furkation positionieren. Es droht die Gefahr eines unnötigen Substanzabtrages oder einer zu starken Dämpfung durch seitlichen Kontakt, die mit Leistungseinbußen einhergehen kann. Zusammenfassend erfordern gute Resultate mit maschinellen Systemen ebenfalls regelmäßiges Training und eine systematische Anwendung [22,27]. Auch lassen sich die In-vitro-Ergebnisse nur bedingt auf die klinische Situation übertragen. Einerseits können die verwendeten künstlichen Gingivamasken die Schwingung der Spitzen stärker dämpfen als die menschliche Gingiva [21], was bei den heute verwendeten grazilen, langen „slimline“-Spitzen (Abb. 3 a1 und b1) sehr wohl für die Effektivität ausschlaggebend sein könnte. Andererseits sind die Bedingungen in der Mundhöhle erheblich komplexer als an einem Phantommodell.

Innovationen möglich?

In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass mit Neuerungen beim Spitzendesign oder Geräteantrieb eine bessere Effektivität erreicht werden kann. Walmsley et al. [28] fragten sich jedoch bereits 2008, welche klinische Relevanz diese Verbesserungen eigentlich haben, und kamen in ihrer systematischen Übersichtsarbeit zu dem Ergebnis, dass es keine externe Evidenz für einen klinischen Vorteil eines der maschinellen Systeme während der nichtchirurgischen Parodontitistherapie gab [28].

Allerdings sind, wie bei den Handinstrumenten, die klinischen Instrumente zur Messung der Effektivität sehr grob und fehlende Unterschiede in klinischen Studien lassen nicht den Schluss zu, dass es keine Unterschiede gibt. Wie nach der Handinstrumentierung besteht bei der Verwendung maschineller Scaler die Schwierigkeit, die eigene Effektivität richtig einzuschätzen. Es gibt zwar bereits in der Praxis anwendbare Ultraschallscaler, die die Charakteristik der bearbeiteten Wurzeloberfläche analysieren [29], diese zeigen aber ähnlich den Lasergeräten mit Feedbackmodulen [30] keine große Verbreitung unter den Anwendern.

Manuell versus maschinell

Destruktion der Zahnhartsubstanz

Neben den möglichen Vorteilen bezüglich Zeitaufwand und Effektivität muss aber auch das Zerstörungspotenzial an der Zahnhartsubstanz durch die eigentliche Bearbeitung der Wurzeloberfläche bei der Auswahl des Instrumentes bedacht werden. Im Vergleich zum maschinellen Débridement scheinen Handinstrumente einen deutlich höheren Substanzabtrag zu verursachen [22,31], was insbesondere bei der regelmäßigen Anwendung während der unterstützenden Parodontitistherapie beachtet werden muss [1]. Wie bereits anfänglich erwähnt, scheint der Paradigmenwechsel in der Parodontalprophylaxe hin zum Einsatz von Ultraschallscalern und Pulver-Wasser-Strahlgeräten auch in diesem Punkt sehr vorteilhaft [32]. Somit muss sich jeder Behandler vor der Instrumentierung der Zahnoberflächen fragen [31], was sie oder er eigentlich entfernen möchte: nur den Biofilm oder auch harte mineralisierte Auflagerungen? Entsprechend der Abbildung 4 ist gut zu erkennen, dass die Wurzeloberfläche durch die verschiedenen maschinellen Instrumente und deren Schwingungscharakteristik unterschiedlich abgetragen wird (Abb. 4 b–c). Gegenüber den eher flachen und unstrukturierten Kerben bei maschinellen Systemen sind die tieferen vertikalen Bahnen durch eine Handinstrumentierung deutlich abgrenzbar (Abb. 4d). Eine hohe Effektivität bei geringstmöglicher Destruktion kann aber sowohl für maschinelle als auch manuelle Instrumente durch ein nahezu paralleles Ansetzen der Spitze/Schneide in sich wiederholenden Mustern mit vertikalen, bei maschinellen Scalern auch zusätzlich horizontalen Bahnen (Schachbrettmuster), erreicht werden (Abb. 5).

  • Abb. 4: Morphologie der Wurzeloberflächen von Modellzähnen (Kunststoff), dargestellt mittels eines Elektronenmikroskops: (a) Kontrolle, (b) nach Scaling mit einem Schallscaler (c), nach Scaling mit einem piezoelektrischen Ultraschallscaler und (d) nach Scaling mit einer Gracey-Kürette durch denselben Behandler. Vergrößerungsfaktor 50 x (Originalabbildung Graetz et al. 2014).
  • Abb. 5: (a) Linienförmige Bearbeitungsspuren bei maschinellen Scalern (Schachbrett) gegenüber (b) breitbahniger Bearbeitung mit Handinstrumenten.
  • Abb. 4: Morphologie der Wurzeloberflächen von Modellzähnen (Kunststoff), dargestellt mittels eines Elektronenmikroskops: (a) Kontrolle, (b) nach Scaling mit einem Schallscaler (c), nach Scaling mit einem piezoelektrischen Ultraschallscaler und (d) nach Scaling mit einer Gracey-Kürette durch denselben Behandler. Vergrößerungsfaktor 50 x (Originalabbildung Graetz et al. 2014).
  • Abb. 5: (a) Linienförmige Bearbeitungsspuren bei maschinellen Scalern (Schachbrett) gegenüber (b) breitbahniger Bearbeitung mit Handinstrumenten.
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Zeitaufwand

Zusammenfassend sollte man die immer wieder diskutierte Zeitersparnis von bis zu 50 % [33] durch Verwendung von maschinellen Systemen hinterfragen; scheinen diese doch sehr stark von Anwender und Ausgangsbefund abhängig zu sein [20–22]. Gerade erfahrene Behandler müssen nicht notwendigerweise langsamer bei der Handinstrumentierung sein [20–22]. Oftmals scheinen Arbeitsgeräusche und Schwingungen der maschinellen Scaler ein quasi „automatisches“ Débridement, also vor allem eine schnellere Reinigung der Wurzeloberflächen, vorzutäuschen. Gerade unerfahrene Behandler oder Kollegen, welche ein neues Gerät erstmals in der Praxis anwenden, sollten dies beachten; nur durch eine systematische Arbeitsweise mit überlappenden Bahnen – egal mit welchem Instrument – ist ein effizientes Débridement erreichbar (Abb. 5). Dies ist und bleibt zeitaufwendig und je nach Schwierigkeitsgrad (Masse, Härte und Größe der harten Auflagerungen, Taschentiefe, Einziehungen etc.) benötigt man je Zahn bis zu 3 Minuten [20–22].

Ergonomie und Arbeitssicherheit

Wie aus den Ausführungen zu erkennen, ist die Instrumentierung der Wurzeloberflächen mit maschinellen Instrumenten genauso gründlich wie mit Handinstrumenten möglich [28,33], eher noch, so scheint es, geht sie für den Anwender leichter und ergonomischer von der Hand. Insbesondere Handinstrumente müssen unter Kraftaufwand [34] mit einer großen Auslenkung im Unterarm und Handgelenk bewegt werden. Ähnliches gilt zwar auch für die Anwendung maschineller Systeme, jedoch bei geringerer Auslenkung und Kraft, aber dafür höherer Bewegungsfrequenz, wie die Daten einer von uns noch unpublizierten Untersuchung aufzeigen. Doch gerade die wechselnde und sich wiederholende Beugung/Streckung als auch Rotation des Handgelenks stellt ein Risiko für Erkrankungen des Bewegungsapparates dar [35] und wurde als Ursache arbeitsbedingter Erkrankungen in der zahnärztlichen Praxis beschrieben [36,37]. Im Gegensatz dazu bestechen maschinelle Scaler durch eine vergleichsweise leichtgängige Arbeitsweise, wobei die maximale Anpresskraft von 0,5 N nicht überschritten werden sollte. Der mit bis zu 3 N ungleich höhere Druck bei der Handinstrumentierung ist bedingt dadurch, dass hier die eigentliche Arbeit durch einen entsprechend höheren Kraftaufwand des Behandlers in mehreren überlappenden Zügen erbracht werden muss (Abb. 5) [16,38–41]. Hingegen ist die oftmals beobachtete Einschränkung der Taktilität bei der Verwendung [42] von maschinellen Instrumenten nur von vorübergehender Natur [43], da durch kurzzeitiges Ausschalten der Schwingung und einer gewissen Erfahrung, ebenso wie bei der Verwendung von Handinstrumenten, Informationen über die Beschaffenheit der Zahnoberfläche gesammelt werden können. Interessant hierbei erscheint aber das Phänomen eines leichten temporären Taubheitsgefühls in den Fingern bei länger andauernder Anwendung, insbesondere von Ultraschallscalern. Dies wird möglicherweise durch eine kurzzeitige Unterbrechung des Blutflusses hervorgerufen, wobei das gesundheitliche Risiko unklar ist [35,43–48]. Die Forderung an die Industrie zur besseren Entkopplung der Handstücke sowie regelmäßige Entspannungsübungen der Finger und des Handgelenks der Anwender tragen diesem Sachverhalt Rechnung [49].

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Risiko ist die Entstehung von infektiösem Aerosol/Sprühnebel bei der Verwendung von maschinellen Scalern [50–57]. Gerade bei der Benutzung von Schallscalern ist mit einer deutlich höheren Aerosol-/Spritzerbelastung des Behandlungsraumes zu rechnen [52,58]. Da dieses durch die Verwendung von Kühlmedien nicht zu vermeidende Gesundheitsrisiko immer bestehen wird, sollte neben der Verwendung einer suffizienten Absaugung einerseits der Behandler stets einen adäquaten Mund-Nasen-Schutz, eine Schutzbrille, Handschuhe und Arbeitskleidung tragen, andererseits der Patient vor der Behandlung mit einer antiseptischen Lösung den Mund spülen [57,59–61].

Der Schlüssel zum Erfolg – Motivation und Übung

  • Tab. 1: Manuelle und maschinelle Instrumente mit ihren Vor- und Nachteilen gegenübergestellt: eine individuelle Entscheidung oder die perfekte Kombination!

  • Tab. 1: Manuelle und maschinelle Instrumente mit ihren Vor- und Nachteilen gegenübergestellt: eine individuelle Entscheidung oder die perfekte Kombination!
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Schlussendlich scheinen für alle Instrumente ausreichende Erfahrung und regelmäßige Übung entscheidend zu sein. Auch die erforderliche Motivation zur Tag für Tag anfallenden systematischen Durchführung eines oftmals zeitaufwendig erscheinenden geschlossenen Débridements sollte nicht unterschätzt werden. Nach König et al. [24] lässt sich mit der richtigen Motivation und einem entsprechenden systematischen Training die Effektivität um 25 % signifikant steigern. Auch die Selbsteinschätzung schien gegenüber den unmotivierten Kollegen, welche zu annähernd 20%iger Überschätzung der eigenen Reinigungsleistung pro Fläche neigten, deutlich verbessert [24]. Neben den bereits diskutierten verschiedenen Vorteilen der Bearbeitung mit maschinellen Scalern, insbesondere in tiefen Knochentaschen oder Furkationen, sollte aber bedacht werden, dass Handinstrumente die große Chance einer sehr genauen taktilen Kontrolle bieten, vor allem während der Instrumentierung. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Parodontitistherapie liegt zweifelsohne in einer Kombination der Instrumente, um die Vorteile der Systeme zu nutzen und deren Nachteile zu kompensieren (Tab. 1).

Fazit

Die Wahl des Instruments hängt vom Kontext der Wurzeloberflächenbearbeitung ab. Sind lediglich nicht mineralisierte Auflagerungen zu entfernen, wie es beispielsweise in der unterstützenden Parodontitistherapie zu erwarten ist, scheinen maschinelle Systeme, speziell Ultraschallscaler mit regelbarer Schwingungsenergie, geeigneter, da deren Anwendung mit deutlich weniger Hartsubstanzverlusten verbunden ist. Steht die Entfernung massiver Konkremente im Vordergrund, sind Handinstrumente und maschinelle Systeme mit hohen Abtragsraten effizienter. Allerdings sollten auch unter Beachtung der vorhandenen Evidenz die individuellen Vorlieben und Gewohnheiten des Behandlers für die Auswahl des Instrumentariums herangezogen werden [1]. In komplexen Fällen sollten die Vorteile beider Instrumentenklassen genutzt und maschinelle Scaler und Handinstrumente kombiniert werden.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Dr. Christian Graetz

Bilder soweit nicht anders deklariert: Dr. Christian Graetz



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