Ätiologie und Diagnostik nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzdefekte

Der Terminus Zahnabnutzung steht für im Laufe des Lebens erworbene, nicht kariesbedingte Zahnhartsubstanzdefekte. Diese können chemischen und mechanischen Ursprungs sein, wobei die Erosion zu den chemisch bedingten und die Abrasion und Attrition zu den mechanisch bedingten Defekten gehören. Die Aufgabe des Zahnarztes besteht darin, die Ursachen herauszufinden und eine gezielte Therapie einzuleiten. Für die Diagnostik von nicht kariesbedingtem Zahnhartsubstanzverlust stehen verschiedene Indizes zur Klassifizierung des Schweregrads der Defekte zur Verfügung. Für die Praxis am besten geeignet ist der Basic Erosive Wear Index (BEWE), mit dem das gesamte Gebiss in Sextanten unterteilt bewertet wird und dessen Summationsscore eine Hilfe zur Therapieentscheidung darstellt.
Nicht kariesbedingte Zahnhartsubstanzdefekte können bereits bei Kindern und Jugendlichen zu finden sein, bei Erwachsenen sind sie jedoch weitaus häufiger zu beobachten. Verschiedene Studien legen nahe, dass Defekte nichtkariösen Ursprungs unter den jungen europäischen Erwachsenen zwischen 18 und 30 Jahren weit verbreitet sind. Es konnten verschiedene Risikofaktoren für das Auftreten von Zahnabnutzung definiert werden. Meist lässt sich bei den Patienten jedoch nicht nur eine einzige Ursache für die nicht kariesbedingten Zahnhartsubstanzdefekte finden. Vielmehr hat eine Kombination verschiedener Prozesse, die stets in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander vorliegen, den Verlust der Zahnhartsubstanz zu verantworten.
Zahnabnutzung
Der Begriff Zahnabnutzung beschreibt einen irreversiblen, multifaktoriellen Prozess von nicht kariesbedingtem Zahnhartsubstanzverlust. Dabei gehen zuerst Schmelz und dann auch Dentin verloren. Bei den meisten Patienten lässt sich der Zeitpunkt des ersten Auftretens von Zahnabnutzung nicht genau bestimmen. Es handelt sich um eine bei Erwachsenen häufiger zu beobachtende Erkrankung. Erste Anzeichen von Zahnabnutzung können auch schon bei Kindern und Jugendlichen auftreten. Man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, die physiologischen Abrasionen im kindlichen Milchgebiss oder exponiertes Dentin an permanenten Zähnen per se als pathologisch einzustufen [1,10], dennoch ist die korrekte Diagnostik des exponierten Dentins wichtig für die spätere therapeutische Entscheidungsfindung.
In der Anthropologie wird die Zahnabnutzung nicht zwangsläufig als pathologisch eingestuft, sondern wird als ein physiologisches Phänomen infolge des Verzehrs harter, faserreicher Nahrung oder des Einsatzes der Zähne als Werkzeuge angesehen, welches in Form von Attrition und Abrasion an den Gebissen der untersuchten Individuen sichtbar wird [7,14]. Breit angelegte Studien konnten zeigen, dass Zahnabnutzung einer der wichtigsten evolutionären Selektionsfaktoren ist, der Wandlungen in Zahnanatomie und oralen Geweben auslöst, durch die die Individuen sich an ihre jeweiligen Lebensbedingungen anpassen [7,14]. Im Verständnis der Anthropologen bleiben die Zähne trotz Abnutzung ein Leben lang funktionell. Als pathologisch wird die Zahnabnutzung erst dann eingestuft, wenn pulpales Gewebe freiliegt oder vorzeitiger Zahnverlust auftritt. Zahnhartsubstanzdefekte in Form von Attrition und Abrasion konnten schon bei Individuen der Jäger und Sammler nachgewiesen werden, wohingegen erosive Zahnhartsubstanzdefekte und zervikale keilförmige Läsionen ein Phänomen der Neuzeit zu sein scheinen [6,7, 10].
Die Ursachen für Zahnabnutzung sind vielfältig [2]. Es können Prozesse mechanischer und chemischer Art unterschieden werden, die sich weiter in intrinsische und extrinsische Vorgänge unterteilen lassen. Als Attrition bezeichnet man die durch Zahn- Zahn-Kontakte bedingte intrinsische mechanische Abnutzung, bei der Abrasion handelt es sich um die durch Zahn-Fremdkörper- Kontakte verursachte extrinsische mechanische Abnutzung.
Erosion stellt die chemische Abnutzung dar; hier wird zwischen der durch Einwirkung von beispielsweise Magensäure bedingten intrinsischen Erosion und der durch Einwirkung von sauren Nahrungsmitteln bedingten extrinsischen Erosion unterschieden. Zusätzlich findet der Begriff der Demastikation in der Terminologie der Zahnabnutzung Verwendung. Er bezeichnet Zahnhartsubstanzverlust, der durch den Kontakt der Zähne mit harten oder abrasiven Nahrungsmitteln entstanden ist. In der Literatur wird er als eine Kombination von Attrition und Abrasion eingestuft [2].
Es ist zu beachten, dass trotz dieser unterschiedlichen Definitionen in den meisten Fällen nicht nur eine einzige Ursache für Zahnabnutzung auszumachen ist, sondern eine Kombination verschiedener Prozesse den Verlust der Zahnhartsubstanz bedingt hat. Die Unterformen der Zahnabnutzung treten zusammen auf und liegen dabei stets in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander vor [2,3]. Im komplexen Milieu der Mundhöhle treten durch Nahrungsaufnahme, Kau- und Parafunktionen sowie Mundhygienemaßnahmen jeden Tag potenziell zahnhartsubstanzschädigende chemische und mechanische Prozesse auf.
Der Grad der Zahnhartsubstanzabnutzung, den der Behandler bei einem Patienten feststellt, ist bei der Erstdiagnostik eine Momentaufnahme und stellt die Summation aller im Laufe des Lebens eingetretenen schädigenden Ereignisse dar. Der Erosion kommt hierbei ein besonderer Stellenwert zu, da Zähne und Zahnhartsubstanzen, die von Säuren angegriffen worden sind, weicher und geschwächter und deshalb in der Folge empfänglicher für mechanische Angriffe sind, wie sie durch Abrasion und Attrition eintreten [1,3]. Anders als Attrition und Abrasion, die schon seit Jahrtausenden an menschlichen Individuen nachweisbar sind, ist die Erosion ein Phänomen der Moderne, das durch die Veränderung der Ess- und Trinkgewohnheiten sowie allgemeine Erkrankungen aufgetreten ist [10,14]. In vielen Fällen kann der Zahnarzt bei seinen Patienten gemäßigten, erosiv bedingten Zahnhartsubstanzverlust als unvermeidbare und auch normale Folge des täglichen Lebens feststellen [1,2].
Nach den kariösen Läsionen sind Läsionen nichtkariösen Ursprungs der zweithäufigste Grund für Restaurationen des Gebisses [15]. Deshalb ist es wichtig, die Unterformen nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzverluste in ihrer Ätiologie, ihren Erscheinungsformen und typischen Erkennungsmerkmalen zu kennen, um eine korrekte Diagnostik und daraus abgeleitet eine korrekte Therapie durchführen zu können, deren Ziel der Erhalt von Hart- und Weichgewebe, Prävention und – wo nötig – ästhetisch adäquate Restauration der Defekte ist.
Ätiologie und Pathogenese
Abrasion
Schmelz ist die härteste Substanz im menschlichen Körper. Er muss ein hohes Maß an Härte aufweisen, da er täglich mechanischen Belastungen durch den Kontakt der Zähne mit Nahrungsmitteln beim Kauen oder mit Mundhygienehilfsmitteln sowie durch den Kontakt der Zähne miteinander ausgesetzt ist [3].
Unter Abrasion versteht man eine pathologische Form des Abriebes, also der mechanischen Abnutzung von Zahnhartsubstanz. Sie entsteht durch den unter Krafteinwirkung auftretenden Kontakt der Zähne mit extrinsischen Faktoren [14]. Typische Ursachen für die Entstehung von Abrasionen sind der Konsum harter, faserreicher Nahrungsmittel, zu häufiger oder falscher Gebrauch zu harter und abrasiver Mundhygienehilfsmittel oder Habits wie das Kauen auf Fingernägeln oder Stiften sowie der Kontakt intraoraler Piercings mit den Zähnen [2,13,14]. Der Zahnhartsubstanzverlust tritt durch die plastische Verformung des Schmelzes sowie die Exfoliation dünner oberflächlicher Schmelzschichten bedingt durch die wiederholte mechanische Belastung ein. Dabei ist die gesamte Okklusalfläche der Zähne gleichermaßen betroffen.
Auffällig ist, dass die palatinalen Höcker der Oberkiefermolaren und die vestibulären Höcker der Unterkiefermolaren ausgeprägtere Abrasionszeichen aufweisen als andere okklusale Stellen [14]. Der Substanzverlust tritt dann ein, wenn ein exogenes, hartes Material unter einer Krafteinwirkung über den Zahn gleitet. Schmelz besitzt mit ca. 250–390 KHN (Knoophardness Numbers) eine sehr hohe Härte, Dentin besitzt lediglich eine Härte von ca. 68 KHN [20]. Dementsprechend ist das Dentin, sobald es freiliegt, sehr viel anfälliger für abrasiv bedingte Defekte als Schmelz. Abrasion geht oftmals, wenn es sich um zervikal gelegene Defekte handelt, auch mit dem Verlust von den Zahn umgebendem Weichgewebe einher; Rezessionen und keilförmige Defekte, die tiefer als breit und in Abhängigkeit vom einwirkenden abrasiven Material flach oder konkav sind, können entstehen [13] (Tab. 1 und Abb. 1).
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Abb. 1: Erosive und abrasive Defekte im Zahnhals- und Inzisalbereich der Unterkieferfrontzähne bei einem 79-jährigen Patienten.
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Tab. 1: Klinische Zeichen für Abrasion.
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Attrition
Attrition wird definiert als Zahnhartsubstanzverlust, der durch den direkten Kontakt zweier Zähne zueinander bedingt ist. Dabei kann es sich um Zahn-Zahn-, Zahn-Restaurations- oder Restaurations- Restaurations-Kontakte handeln [3,14]. Kontakte zwischen Zähnen treten physiologischerweise beim Kauen und Schlucken auf, aber auch bei durch craniomandibuläre Dysfunktionen bedingten Habits wie dem Knirschen oder Pressen [13]. Die Vorgänge der plastischen Verformung durch die mechanische Belastung oder Überbelastung der Zähne, die der Attrition zugrunde liegen, sind denen ähnlich, die bei der Abrasion auftreten.
Auch attritive Defekte entstehen durch das Übereinandergleiten von Kauflächen und der damit einhergehenden Verformung der Zahnhartsubstanz und dem Abplatzen von dünnen Schmelz- und Dentinschichten [3]. Der Unterschied besteht darin, dass Attrition durch den alleinigen Kontakt zweier okkludierender Zähne zueinander entsteht, wohingegen bei der Abrasion ein 3. Material zwischen den okkludierenden Zahnflächen anwesend ist. Des Weiteren tritt Attrition vor allem an den okklusalen oder inzisalen Flächen der Zähne auf, nur weit fortgeschrittene Läsionen können sich auch auf orale und/oder vestibuläre Flächen ausweiten, wohingegen Abrasion an allen Flächen der Zähne gleichermaßen vorkommen kann [13,14] (Tab. 2 und Abb. 2).
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Abb. 2: Erosiv und attritiv befallenes Gebiss eines 40-jährigen Patienten, Hauptursache: übermäßiger Genuss von Cola und Bruxismus.
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Tab. 2: Klinische Zeichen für Attrition.
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Erosion
Erosion entsteht durch häufige Säureeinwirkung auf die Zahnhartsubstanz. Dabei wird die den Zahn angreifende Säure nicht durch Bakterien gebildet, sondern stammt aus anderen Quellen, wie beispielsweise Nahrungsmitteln oder Magensäure [1–3]. Häufig gehen erosive Veränderungen der Zahnhartsubstanz mit dem übermäßigen Genuss saurer Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungsmitteln (z.B. Vitamin-C-Tabletten, Zitrusfrüchte, Tee, Fruchtsäfte oder isotonische Sportgetränke) sowie mit gastroösophagealem Reflux, Bulimie oder anderen Erkrankungen und der dadurch bedingten Anwesenheit von Magensäure in der Mundhöhle einher [1,13,15]. Der irreversible Zahnhartsubstanzverlust entsteht durch säurebedingte Lösungsprozesse der Zahnhartsubstanz.
Zahnschmelz besteht hauptsächlich aus Hydroxylapatitkristallen, die prismenförmig gegliedert und bei neutralem pH in der Mundhöhle so gut wie nicht wasserlöslich sind. Bei übermäßiger Anwesenheit von Säure in der Mundhöhle verschiebt sich das Lösungsgleichgewicht zugunsten der Säure, der pH-Wert sinkt und die Hydroxylapatitkristalle der Schmelzprismen werden aufgelöst. Auch das in Dentin und Wurzelzement enthaltene Hydroxylapatit wird von der Säure aufgelöst, wenn Dentin oder Zement freiliegen und für den Säureangriff zugänglich sind.
Dentin hat, im Gegensatz zu Schmelz, reparative Fähigkeiten und kann bis zu einem gewissen Maß Reparaturdentin an den geschädigten Stellen bilden [3]. Dennoch sind Dentin und Wurzelzement anfälliger für säurebedingte Defekte, da der kritische pH-Wert in der Mundhöhle, ab dem sie von Säuren angegriffen werden, bei 6,2 bis 6,7 liegt [20].
Schmelz fängt erst bei einem pH-Wert von 5,2 bis 5,7 an, von Säuren gelöst zu werden [20]. Oberflächliche Demineralisationen im Schmelz können durch die im Speichel enthaltenen Ionen wieder remineralisiert werden, jedoch hat der menschliche Körper keine Möglichkeit, ausgedehnte Läsionen im Schmelz zu reparieren [3]. Erosiv befallener Schmelz stellt sich klinisch weicher dar als gesunder Schmelz und ist weitaus anfälliger für mechanische Reize, sodass der Zahnhartsubstanzverlust auch mit jeder mechanischen Belastung, die im nichterodierten Schmelz keine Spuren hinterlassen würde, zusätzlich weiter voranschreitet [1].
In Abhängigkeit von der Quelle der einwirkenden Säure (extrinsisch oder intrinsisch) lassen sich verschiedene erosive Muster dokumentieren; ihnen allen ist jedoch gemein, dass sie nicht auf die okklusalen Flächen der Zähne beschränkt sind. Extrinsische Erosion zeigt sich oft an den bukkalen und okklusalen Flächen der Frontzähne und Molaren, wohingegen intrinsische Erosion vermehrt an den Palatinal- bzw. Lingualflächen der Molaren auftritt (Tab. 3 und Abb. 3).
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Abb. 3: Massive Erosionen des gesamten Gebisses mit Verlust der Vertikalen bei einer 32-jährigen Patientin, Hauptursache: übermäßig langes Behalten saurer Getränke in der Mundhöhle.
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Tab. 3: Klinische Zeichen für Erosion.
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Keilförmiger Defekt
Der keilförmige Defekt wird als durch eine Kombination verschiedener Mechanismen verursachter Zahnhartsubstanzverlust in der zervikalen Region eines Zahnes definiert. Die erste Beschreibung solcher zervikalen Defekte erfolgte bereits 1931 [12].
Einigen Autoren zufolge führt periodische okklusale Be- und Überlastung, wie sie durch Zähneknirschen oder okklusale Störkontakte entstehen kann, zu inneren Spannungen innerhalb der Zahnhartsubstanz [3]. Die Spannungslinien laufen im zervikalen Bereich der Zahnkrone, fern vom eigentlichen Punkt der Belastung [3,13], zusammen, sodass dort die Stresskonzentration am höchsten ist und Schmelzanteile im mikroskopischen Bereich gelockert werden [21]. Die so an der Oberfläche der Zahnhartsubstanz entstehenden Risse dringen im Laufe der Zeit in die Tiefe ein. Die dadurch geschädigte Zahnhartsubstanz platzt ab und hinterlässt keilförmige Defekte. Diese sind empfänglicher für erosive und abrasive Angriffe, sodass sie schnell tiefer werden. Andere Autoren wiederum konnten keinen Zusammenhang zwischen Abrasion oder Schlifffacetten und keilförmigen Defekten feststellen [4,5,15] (Tab. 4).
Schutzwirkung von Speichel und Pellikel
Der in den Speicheldrüsen produzierte Speichel ist eine protein- und ionenreiche Lösung, die eine protektive Wirkung auf die Zähne gegenüber chemischen und mechanischen Angriffen ausübt. Täglich werden durchschnittlich etwa 0,7 l Speichel mit einem pH-Wert von 6,5 bis 6,9 sezerniert. Ein etwa 0,1 ?m starker Speichelfilm kleidet die Mundhöhle aus und überzieht Zähne und Schleimhäute [20]. Bei normalem pH-Wert ist der Speichel mit Kalzium-, Fluorid- und Phosphationen übersättigt. Trägt sich nun ein Säureangriff auf die Zähne zu, so sinkt der Speichel-pH und die Zahnhartsubstanz kann solange demineralisiert werden, bis der Speichel wieder seinen normalen pH-Wert erreicht und durch seinen hohen Ionengehalt die angegriffene Zahnhartsubstanz wieder remineralisieren kann. Seine Pufferwirkung übt der Speichel über 2 Puffersysteme aus, den Phosphatpuffer und den Bikarbonatpuffer.
Dem Bikarbonatpuffer kommt vor allem bei Säureangriffen auf die Zahnhartsubstanz ein wichtiger Stellenwert zu. Bei steigender Speichelsekretion wird der Bikarbonatgehalt im Speichel erhöht und der pH-Wert steigt an, wodurch das Bikarbonat organische Säuren neutralisieren kann [20]. Im Gegensatz spielt der Phosphatpuffer eine große Rolle bei den Remineralisationsprozessen, da das Phosphat bis zu 3 Protonen binden kann und so die Säuren neutralisiert werden. Vor diesem Hintergrund hat es folglich einen Einfluss auf die protektive Wirkung des Speichels, wenn der Gehalt an Phosphat oder Bikarbonat im Speichel reduziert ist.
In einer In-vitro-Studie wurde der Zahnhartsubstanzverlust nach einem Säureangriff bei verschiedenen Kalziumkonzentrationen des Speichels gemessen [18]. Die Studienergebnisse zeigten bei Speichel, der vollständig frei von Kalzium- und Phosphationen war, sowohl für Schmelz als auch für Dentin höhere Verlustwerte nach einem Säureangriff, außerdem eine deutlich verringerte Remineralisation der angegriffenen Zahnhartsubstanz. Eine weitere In-vitro-Studie konnte zeigen, dass eine Behandlung von Zähnen mit einer Kalziumkarbonatlösung nach einem Säureangriff einen antierosiven Effekt hat, der in einem geringeren Schmelzverlust resultiert [19]. Speichel übt also nicht nur durch die Pufferung intrinsischer und extrinsischer Säuren seine protektive Wirkung aus, sondern auch durch das Verdünnen und den Abtransport der Säuren (Clearance), durch die Bereitstellung von Kalzium-, Fluorid- und Phosphationen zur Remineralisation der Zähne und durch die Bildung der erworbenen Pellikel auf der Zahnoberfläche [6,18,20].
Die Zahnoberflächen sind von der erworbenen Pellikel, auch als Cuticula dentis bezeichnet, bedeckt. Sie besteht aus einer dünnen Schicht von Speichelproteinen. Durch elektrische Anziehungskräfte findet eine selektive Adsorption der Proteine an der Zahnoberfläche statt und es bildet sich ein Biofilm, der die Interaktionen der Zähne mit dem oralen Medium moduliert [6]. Die Pellikel fungiert einerseits als Gleitschicht zwischen Antagonisten bei Zahn-Zahn- oder Zahn-Fremdkörper-Kontakten und verhindert so initial die mechanische Abnutzung von Zahnhartsubstanzen [3,6].
Andererseits stellt die Pellikel eine Art semipermeable Membran an der Zahnoberfläche dar, die auf zweierlei Weise als Inhibitor einer Demineralisation bei Säureangriffen wirkt: Sie bildet eine Barriere zwischen der angreifenden Säure und dem Zahn und sie wirkt der Diffusion von Ionen aus der Zahnoberfläche heraus entgegen [3,6,9,17]. Jedoch ist die Schutzwirkung der Pellikel abhängig von der Dauer und der Intensität des Säureangriffs, das bedeutet also, dass bei einer prolongierten Säureeinwirkung auf die Zähne ein irreversibler Zahnhartsubstanzverlust eintritt [9].
Durch häusliche Mundhygiene- oder professionelle Prophylaxemaßnahmen wird diese Pellikel von der Zahnoberfläche entfernt. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Pellikel sich innerhalb eines Zeitraumes von wenigen Minuten bis 2 Stunden neu bildet. Dabei unterscheidet sich die chemische Zusammensetzung der Pellikel nicht, unabhängig von der Zahnfläche oder Zahngruppe. Bereits eine 3 Minuten alte Pellikel ist als initialer Schutz gegen einen Säureangriff ausreichend [6]. Pellikelbedeckte Zahnoberflächen verlieren bei einem Säureangriff weniger Kalziumionen als pellikelfreie [17].
Diagnostik
Es existiert kein Gerät auf dem Markt, das dentale Erosion oder anderweitigen, nicht kariesbedingten Zahnhartsubstanzverlust in Routinekontrollen explizit erkennen könnte. Deshalb ist die klinische Erscheinung der verschiedenen Läsionen der wichtigste Parameter für die korrekte Diagnostik. Der Behandler muss die Zeichen und Symptome erkennen und sie richtig klassifizieren, um dann durch einen Vergleich mit der normalen Morphologie der Zähne einen Schweregrad der Läsionen festlegen zu können.
Erosion imponiert initial durch glatte, seidig glänzende Oberflächen, eine Veränderung der Zahnmorphologie tritt erst im fortgeschrittenen Stadium auf. An glatten Oberflächen flachen konvexe Bereiche ab und es bilden sich oberhalb der Schmelz-Zement-Grenze Kavitäten, die breiter als tief sind. Am Sulkus verbleibt ein intakter Schmelzrand, da Sulkusflüssigkeit Säuren abpuffern kann. Schreitet die Erosion weiter fort, so runden Höcker sich ab, es bilden sich Grübchen und Restaurationen stehen aus der Zahnoberfläche hervor. In einem weiteren Schritt verschwindet die okklusale Morphologie der Zähne vollständig.
Oftmals tritt eine durch Schmelzverlust und dadurch freiliegendes Dentin bedingte Hypersensitivität der Zähne auf [1]. Attrition imponiert durch eine glatte, glänzende Oberfläche, die im Gegensatz zur Erosion scharf begrenzte Ränder aufweist. Am Antagonisten sind entsprechende Facetten zu finden. Eine Unterscheidung zwischen Erosion und keilförmigen Defekten ist möglich, da keilförmige Defekte nach apikal hin über die Schmelz-Zement-Grenze hinausgehen. Ihr koronaler Teil ist scharf begrenzt und geht in etwa rechtwinklig in den Schmelz über. Die Läsion ist, im Gegensatz zur Erosion, tiefer als breit. Allein die Unterscheidung zwischen Abrasion und Erosion ist klinisch schwer möglich.
Die Diagnostik nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzdefekte sollte immer sowohl qualitativ (Welche Unterformen liegen vor?) als auch quantitativ (Welche Sextanten sind betroffen?) erfolgen. Während sich die Karieserfahrung eines Patienten über den DMFT/S-Wert beschreiben lässt, gestaltet sich die Diagnostik nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzdefekte aufgrund ihrer Multifaktorialität, uneinheitlicher Klassifikationen und verschiedener Indizes diffizil. Viele Indizes bewerten den Schweregrad und die Progressionsrate der Läsionen, lassen aber keinen Rückschluss auf die Ätiologie zu, da sie sich nur an einem Aspekt orientieren [7].
Die gängigsten Indizes sind der Index nach Eccles, der Tooth Wear Index (TWI), der Index nach Lussi sowie der Basic Erosive Wear Examination Index (BEWE).
- Der Index nach Eccles teilt Zahnhartsubstanzverluste in die Klassen I bis III sowie die Klasse III weiter in 4 Unterklassen auf. Mit Klasse I und II werden die vestibulären Flächen bewertet, Klasse III bewertet die vestibulären, oralen und okklusalen/inzisalen Flächen getrennt, wobei Klasse IIId die schwerste Ausprägungsform darstellt [1].
- Nach dem Tooth Wear Index (TWI), der von Smith und Knight beschrieben wurde, wird die Ausprägung des Zahnhartsubstanzverlustes in 5 Grade (0 bis 4) eingeteilt. Beurteilt werden die vestibulären, lingualen, okklusalen/inzisalen sowie die zervikalen Flächen, wobei die Beurteilung Letzterer getrennt von den Ersteren erfolgt. Der TWI erlaubt eine Unterscheidung zwischen Schmelz- und Dentinverlust sowie einer möglichen Pulpaexposition und eine Bewertung der zervikalen Defektgröße [1].
- Beim Index nach Lussi wird zwischen Vestibulär- und Okklusal-/Oralflächen unterschieden. Die Bewertung der Vestibulärflächen wird in 4 Grade aufgeteilt, in denen zwischen Schmelzund Dentinverlust differenziert und die Größe der betroffenen Oberfläche in Abhängigkeit von der Zahnoberfläche bestimmt wird. Die Okklusal- und Oralflächen werden in 3 Graden bewertet, hier wird lediglich zwischen Schmelz- und Dentinverlust unterschieden [1].
Diesen 3 Indizes ist gemein, dass jeweils die sichtbaren Flächen eines jeden Zahnes einzeln bewertet werden und ihre Anwendung in der Praxis deshalb sehr zeitintensiv ist.
- Der Basic Erosive Wear Examination Index (BEWE) ist ein kumulativer Index, der die Summe der höchsten Werte pro Sextanten darstellt und damit, unter Einbeziehung der Progressionsrate der Läsionen, ein Leitfaden für die klinische Therapie sein kann. Für die Bewertung der Zähne wird die Größe der Läsion als Prozentsatz der Zahnoberfläche quantifiziert. Dabei wird der Verlust an Zahnhartsubstanz unabhängig von seiner Ätiologie erfasst und es wird nicht, wie bei den vorhergehend vorgestellten Indizes, zwischen dem Verlust von Schmelz oder Dentin unterschieden [11]. Mit Ausnahme der Weisheitszähne werden alle Zähne der Dentition in die Bewertung mit einbezogen und die Dentition in Sextanten aufgeteilt. Befundet werden die vestibulären, okklusalen/inzisalen und oralen Zahnflächen. Für jeden Sextant wird der höchste Wert notiert und nach Bewertung aller Sextanten die 6 Werte addiert. Die so errechnete Summe des BEWE-Scores kann als Hilfe zur Therapiefindung dienen. Zusätzlich dazu muss auch die Progressionsrate der Läsionen erkannt werden, um einschätzen zu können, ob bereits ergriffene Maßnahmen erfolgreich waren. Zur Bewertung der Progressionsrate eignen sich folgende Parameter: die Tiefe der Läsion, die Größe der betroffenen Fläche sowie das Volumen der verlorenen Zahnhartsubstanz [1]. Wie der Name schon sagt, wurde der BEWE-Score hauptsächlich zur Klassifizierung erosiver Veränderungen entwickelt. Er eignet sich aufgrund seiner Einfachheit trotzdem, in der Praxis jede Art von nicht kariesbedingtem Zahnhartsubstanzverlust zu bewerten, da er nicht zwischen den verschiedenen Ätiologien unterscheidet und somit der Multifaktorialität nicht kariesbedingter Läsionen gerecht wird (Tab. 5 und 6).
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Tab. 5: Kriterien des Basic Erosive Wear Examination Index (BEWE) [1].
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Tab. 6: Therapieoptionen in Abhängigkeit vom summierten BEWE-Score [1].
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- Ein weiterer Index ist der Exact Tooth Wear Index [8]. Nach diesem Index werden Schmelz und Dentin getrennt klassifiziert. Dabei gibt es für die Einstufung der Schmelzdefekte 5 Schweregrade, die eine Bewertung der Größe des Defektes in Abhängigkeit von der Zahnoberfläche erlauben. Für die Bewertung der Dentindefekte stehen 6 Grade zur Verfügung, die eine Einstufung der Größe des Defektes in Abhängigkeit von der Zahnoberfläche und einer möglicherweise vorhandenen Pulpaexposition erlauben.
Typische Muster und Patientenrisikogruppe
Nicht-kariesbedingter Zahnhartsubstanzverlust tritt in allen Altersgruppen auf, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt. In einer Studie aus 7 europäischen Ländern mit 3.187 Patienten im Alter von 18 bis 35 Jahren wurde die Dentition mithilfe des BEWE-Index bewertet. Es konnte gezeigt werden, dass bei 57,1% der Untersuchten ein BEWE-Score von 1 oder höher vorlag, bei 39,4% der Probanden betrug der BEWE-Score 2 oder 3 [11].
Dies zeigt, dass über die Hälfte der jungen europäischen Bevölkerung von nicht kariesbedingtem Zahnhartsubstanzverlust betroffen ist, ein Drittel von ihnen sogar in ausgeprägtem Ausmaß. Dabei konnte kein Einfluss von Geschlecht, Bildungsgrad, Gewicht, Sportgewohnheiten oder Nikotinkonsum auf die Ausprägung gefunden werden. Im Gegensatz dazu hat eine Studie mit 50 Patienten gezeigt [15], dass nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzverlust bei Männern mit 72,2% häufiger auftritt als bei Frauen mit 56,3%. Die Altersgruppe der 18- bis 30-Jährigen machte 40% der Studienteilnehmer aus, 65% von ihnen wiesen nicht kariesbedingte Defekte des Gebisses auf, unter den 31- bis 56-jährigen Teilnehmern der Studie wiesen 60% solche Defekte auf.
Beide Studien untermauern die Einschätzung, dass auch junge Patienten bereits mitunter weit fortgeschrittene Verluste von Schmelz und Dentin aufweisen. Falsche Ernährungsgewohnheiten (saure Speisen/Getränke, Softdrinks, Nahrungsergänzungsmittel), falsche Mundhygienetechniken, Parafunktionen, Erkrankungen wie chronisches Sodbrennen oder Bulimie, die mit erhöhtem Reflux oder Erbrechen einhergehen, und bestimmte Medikamente (z.B. Antidepressiva, speichelflussreduzierende Medikation) konnten als Risikofaktoren für nicht kariesbedingte Zahnhartsubstanzverluste ausgemacht werden [11,15,16].
Die klinische Einschätzung, ob der bei einem Patienten vorliegende Zahnhartsubstanzverlust pathologisch ist oder nicht, ist oftmals sehr subjektiv. Smith und Knight definierten die Entscheidungsfindung folgendermaßen [1]: Während bei einem älteren Patienten der vorliegende Grad des Zahnhartsubstanzverlustes noch als physiologisch eingestuft werden kann, so würde das gleiche Maß an Verlust von Zahnhartsubstanz bei einem jungen Patienten als pathologisch eingestuft werden, wenn die Zähne ohne Therapie voraussichtlich vorzeitig verloren gehen würden.
Zusätzlich zum Status praesens muss bei der Befunderhebung und Diagnostik von Zahnhartsubstanzverlust immer auch die Progressionsgeschwindigkeit der Veränderungen beachtet werden, um eine korrekte individuelle Therapie für den jeweiligen Patienten ableiten zu können. Die Progressionsrate der Läsionen kann vom Behandler über intraorale Fotos, Modelle oder intraorale Scans, die in regelmäßigen, gleichbleibenden Abständen angefertigt und miteinander verglichen werden, überwacht werden.
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