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Die DGCZ prämiert 2 Arbeitsgruppen

Digitaleinsatz bei Craniofazialer Anomalie und navigierter Implantatversorgung

Seit vielen Jahren engagiert sich die Deutsche Gesellschaft für Computerunterstützte Zahnheilkunde (DGCZ) auf allen Themengebieten der digitalen Zahnmedizin und richtet die Jahrestagung auf dem Deutschen Zahnärztetag aus. Hierbei ist die DGCZ-Sektion „Informatik“ alljährlich für einen größeren Vortragsblock verantwortlich und verleiht einen Tagungsbestpreis für Arbeiten junger Wissenschaftler und Zahnärzte.

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Anlässlich der Jahrestagung am 14. November 2020 fand das Online-Symposium mit der Unterstützung der Digital Dental Academy (DDA) in Berlin statt. 180 Teilnehmer verfolgten 11 wissenschaftliche Beiträge und Fallpräsentationen aus allen Bereichen der digitalen Zahnmedizin. Den Tagungsvorsitz hatten Dr. Bernd Reiss und Prof. Dr. Bernd Kordaß. Der diesjährige Tagungsbestpreis der „Sektion Informatik“, dotiert mit 500€, wurde hälftig geteilt und ging an 2 Arbeitsgruppen in Süddeutschland.

Der Tagungspreis ging an Alexander B. Xepapadeas, Sebastian Spintzyk, Dr. Christina Weise, Prof. Dr. Christian F. Poets, Prof. Dr. Dr. Siegmar Reinert und Prof. Dr. Bernd Koos, Universität Tübingen (Abb. 1), für die Arbeit „Computergestützte Versorgung von Patienten mit craniofazialen Anomalien“.

Die 2. Arbeitsgruppe, Dr. Cornelia Edelmann, Anne Knipper, PD Dr. Sigmar Schnutenhaus, Universität Ulm/Praxis Hilzingen (Abb. 2) erhielt den Preis für die Studie „Dynamische Navigation in der dentalen Implantologie“.

Abb. 1 (v.l.n.r.): 1. Arbeitsgruppe: Dr. Christina Weise, Alexander B. Xepapadeas MSc. ; Screenshot: Sebastian Spintzyk MSc DT, Prof. Dr. Christian F. Poets, Prof. Dr. Dr. Sigmar Reinert, Prof. Dr. Bernd Koos (Dep. Orthodontics Univ. Hosp. Tübingen). Kern
Abb. 1 (v.l.n.r.): 1. Arbeitsgruppe: Dr. Christina Weise, Alexander B. Xepapadeas MSc. ; Screenshot: Sebastian Spintzyk MSc DT, Prof. Dr. Christian F. Poets, Prof. Dr. Dr. Sigmar Reinert, Prof. Dr. Bernd Koos (Dep. Orthodontics Univ. Hosp. Tübingen).
Abb. 2: Die Preisträger der 2. Arbeitsgruppe (v.l.n.r.): Dr. Cornelia Edelmann, PD Dr. Sigmar Schnutenhaus, Zahnärztin Anne Knipper. Schnutenhaus
Abb. 2: Die Preisträger der 2. Arbeitsgruppe (v.l.n.r.): Dr. Cornelia Edelmann, PD Dr. Sigmar Schnutenhaus, Zahnärztin Anne Knipper.

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Die Übergabe der Urkunden an die Preisträger erfolgt auf dem Masterkurs der DGCZ, der voraussichtlich als Präsenzveranstaltung am 24. bis 26. Juni 2021 in München stattfinden wird.

Digitale Gaumenplatte für den Kiefer eines Neugeborenen

Das Tübinger Team behandelt regelmäßig mittels digitalem Workflow erstellter Behandlungsapparaturen Neugeborene und Kleinkinder, welche an angeborenen kraniofazialen Fehlbildungen leiden. Im vorgetragenen Fall wurde ein Kind mit Robin-Sequenz behandelt, deren Ätiologie und Pathogenese bislang nicht vollständig geklärt ist. Erstbeschrieben von dem Zahnarzt Pierre Robin, Paris (1867–1959), ist die Robin Sequenz durch eine Unterkieferrücklage (Retrognathie) mit in den Rachen verlagerter Zunge (Glossoptose) gekennzeichnet; zusätzlich können Spaltfehlbildungen vorliegen. Durch die Rückverlagerung wird die Atmung beeinträchtigt, Sauerstoffmangel bis hin zur Asphyxie kann eintreten. Aufgrund von Schluckstörungen kann auch die Nahrungsaufnahme behindert sein. Durch das Verschlucken von Luft sind häufiges Aufstoßen oder Erbrechen die Folge.

Im interdisziplinären Team von Neonatologie und Kieferorthopädie wurde das schonende Behandlungskonzept der „Tübinger Gaumenplatte“ (TPP, Tübingen palatal plate) genutzt, um invasive Therapieoptionen zu vermeiden. Bei der TPP wird eine spezielle Gaumenplatte mit velarer Extension in die Mundhöhle und Pharynx eingeführt; diese wirkt der Obstruktion der oberen Atemwege entgegen, indem sie den Zungengrund nach vorn drückt.

Abb. 3: Tübinger Spornplatten mit Additiv gefertigtem Farbmodell aus einem Intraoralscan. Links die Platte aus dem digitalen Workflow; recht eine Platte aus konventioneller Fertigung. Universität Tübingen
Abb. 3: Tübinger Spornplatten mit Additiv gefertigtem Farbmodell aus einem Intraoralscan. Links die Platte aus dem digitalen Workflow; recht eine Platte aus konventioneller Fertigung.

Mittels einer Endoskopie wurden weitere Ursachen einer Atmungsstörung ausgeschlossen, wobei gleichzeitig Form und Größe des Plattensporns am additiv gefertigten Prototyp überprüft wurden. Mit einem Intraoralscanner wurden im Oberkiefer die Daten für die Gaumenplatte gewonnen. Durch deren Konstruktion wirkt sie der Verengung der Atemwege entgegen (Abb. 3).

Mit dem digitalen Workflow konnten verschiedene Konfigurationen der Gaumenplatte entworfen und das passende Design in der Fertigung umgesetzt werden. Inkorporiert wird die Gaumenplatte 4-6 Monate getragen. Konventionelle Alginat- oder Silikonabformungen hingegen zeigen sich aufgrund der Gefahr von Aspiration und Verbleib von Abformmaterialresten als komplikationsreicher und sind daher für diese Therapie in Anbetracht des Lebensalters der kleinen Patienten schlechter geeignet. Die digitale Intraoralabformung wird in Tübingen auch bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und Trisomie 21 (Down-Syndrom) standardmäßig erfolgreich für die Erstellung von Apparaturen eingesetzt.

Dynamische Navigation in der Implantologie

Die präimplantologische 3D-Diagnostik und die prothetisch basierte Implantatplanung sind heute etablierte Vorgehensweisen. Bildgebende, computergestützte Verfahren liefern verlässliche Daten zum Knochenangebot. Im Rahmen der virtuellen Rückwärtsplanung können die Bedingungen für die chirurgische und prothetische Behandlung berücksichtigt und spätere Komplikationen weitgehend ausgeschlossen werden. Ziel ist, eine optimale Position der Implantate im Knochen sowie die exakte Einschubrichtung bzw. Angulation der prothetischen Suprastrukturen zu bestimmen. Das invasive Procedere wird hierbei von der Bohrschablone entscheidend unterstützt, die gewährleistet, dass die Enossalbohrung präzise und risikofrei für den Nervus alveolaris erfolgt.

Mit der schablonenbasierten Implantatinsertion kann literaturbelegt eine exakte Positionierung des Enossalpfeilers erreicht werden. Dafür ist allerdings die Herstellung einer Bohrschablone und spezielle Aufbereitungsinstrumente erforderlich. Das Team von Dr. Schnutenhaus untersuchte alternativ die Genauigkeit der „dynamischen Navigation“ für die enossale Insertion im Rahmen eines Modellversuchs. Hierbei verfolgt eine miniaturisierte, am Handstück angebrachte stereoskopische Kamera den chirurgischen Fräser und überträgt in Echtzeit submillimetergenau die Position, den Winkel und die Tiefe der Enossalbohrung auf einen Bildschirm mit interaktiver 3D-Oberfläche.

Abb. 4: Schablone mit Referenzmarker, gefertigt auf Basis der DVT- und Planungsdaten. Schnutenhaus
Abb. 4: Schablone mit Referenzmarker, gefertigt auf Basis der DVT- und Planungsdaten.

Die Ansteuerung des Bohrers erfolgt durch intraoral gesetzte, non-invasive Marker (Abb. 4). Die Abweichungen der Implantatpositionen zwischen der geplanten und der tatsächlich erreichten Position werden erfasst. Gemessen werden die Winkelabweichung sowie Divergenzen am coronalen und apikalen Ende des Implantats in vertikaler, sagittaler und horizontaler Ebene. Zudem wird die klinische Umsetzbarkeit ausgewiesen.

Eine Bohrschablone ist für die dynamische Navigation nicht notwendig; Standardkomponenten wie normale Bohrerlängen können genutzt werden; taktile Einschränkungen entfallen. Auch der Notfallpatient kann ohne Warten auf das Herstellen einer Bohrschablone unmittelbar nach dem DVT therapiert werden.

Die präklinische Studie erfasste 45 Modellimplantationen. Diese Studie untersuchte verschiedene Wege des digitalen Workflows. In einer weiteren klinischen Pilotstudie wurde die Genauigkeit der dynamischen Navigation ermittelt. Hierbei wurden einteilige Keramikimplantate (ceramic.implant, VITA Zahnfabrik) und verschiedene zweiteilige Titanimplantate (Camlog und Straumann) untersucht. Als Planungssoftware kam coDiagnostiX (DentalWings) zum Einsatz.

Die Ergebnisse der dynamischen Implantat-Navigation zeigten eine hohe Übereinstimmung zwischen der geplanten und der tatsächlichen Ausrichtung der Enossalbohrer und der Implantatpositionen.

Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages:

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