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Praxisführung

Praxisabgabe und –übernahme aus rechtlicher Sicht

Bei einer Praxisübernahme gilt es, neben wirtschaftlichen auch die rechtlichen Aspekte zu beachten und Fallstricke zu vermeiden. Beispielhaft zeigt der Autor auf, worauf es bei der vertraglichen Gestaltung im Wesentlichen ankommt.

Placeholder – News shutterstock

Laut aktuellen Erhebungen des Instituts der deutschen Zahnärzte (IDZ) zum zahnärztlichen Investitionsverhalten 2016 ist die Übernahme einer Einzelpraxis mit 63% weiterhin die häufigste Form der zahnärztlichen Existenzgründung. Die Argumente für die Übernahme bestehender Strukturen überwiegen in der Regel. So liegt beispielsweise der Investitionsaufwand bei der Übernahme einer Einzelpraxis mit 342.000 € im Durchschnitt deutlich niedriger als bei der Neugründung einer Einzelpraxis, die im Durchschnitt 528.000 € erfordert.

Zahnärztinnen und Zahnärzte, die solch erhebliche Summen in ihre berufliche Zukunft investieren, sollten bei der Praxisübernahme neben wirtschaftlichen Aspekten auch die rechtlichen Fallstricke beachten und vermeiden. Ein interessierter Praxiskäufer muss früh genug anfangen, sich mit den Marktverhältnissen und potenziellen Praxisabgebern zu beschäftigen. Der Vorlauf bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Praxis an den Erwerber übergeben wird, beträgt mehrere Monate. Dabei sind u.a. die Bearbeitungszeiten bei der den Kauf finanzierenden Bank, den steuerlichen und rechtlichen Beratern und des Zulassungsausschusses für den Erhalt der vertragszahnärztlichen Zulassung zu berücksichtigen. Hat der Interessent die für ihn passende Praxis gefunden, muss er mit dem Praxisabgeber die Rahmenbedingungen der Praxisübergabe aushandeln und schriftlich fixieren. Am Beispiel der Übernahme einer zahnärztlichen Einzelpraxis soll im Folgenden skizziert werden, auf welche rechtlichen Aspekte es bei der vertraglichen Gestaltung im Wesentlichen ankommt.

Bedingter Vertragsabschluss und Rücktrittsrecht

Auch wenn das Risiko, dass der Erwerber nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen wird, mangels Zulassungsbeschränkungen im zahnärztlichen Bereich gering ist, muss der Praxisübernahmevertrag dennoch unter der Bedingung geschlossen werden, dass die Zulassung für den Praxissitz rechtsbeständig erteilt wird. In manchen Fällen möchte der Interessent kurz nach Übernahme der Praxis seinen Sitz zudem in modernere Räume verlegen. Auch wenn es sich nur um einen Umzug in das Nachbarhaus handelt, muss die Verlegung des Praxissitzes ebenfalls durch den Zulassungsausschuss genehmigt werden. Sofern ein solcher Umzug bereits fest eingeplant ist, sollte daher die Genehmigung der Sitzverlegung als weitere Bedingung im Praxisübernahmevertrag ausgestaltet werden. Denkbar ist ferner die Genehmigung einer Anstellung, z.B. des abgebenden Zahnarztes, wenn dieser noch eine Zeit lang die Praxis unterstützen soll. Nicht auszuschließen sind auch Fälle, in denen nach Unterzeichnung des Praxisübernahmevertrags eine der Parteien stirbt oder berufsunfähig wird. Auch für diese Fälle sind Regelungen im Praxisübernahmevertrag vorzusehen, damit insbesondere die Erben des verstorbenen Praxiserwerbers nicht das Risiko tragen müssen, den Praxiskaufpreis zu zahlen, obwohl sie mangels Qualifikation die Praxis gar nicht führen können. Ein vertragliches Rücktrittsrecht kann ein geeignetes Gestaltungsmittel sein, um sich dann in begründeten Fällen vom Vertrag lösen zu können.

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Beschreibung des Kaufgegenstandes

Der Kaufgegenstand ist präzise zu beschreiben. Dies geschieht in der Regel durch Beifügung einer sog. AfA-Listen des Steuerberaters der Praxis. Nur die Gegenstände, die in dieser Liste aufgeführt werden, sind vom Kaufpreis umfasst und gehen in das Eigentum des Käufers über.

In zahnärztlichen Praxen existieren oftmals Behandlungseinheiten, die voll funktionsfähig sind, für die aber auf dem Markt keine Ersatzteile mehr angeboten werden. Dieser Umstand ist aus Sicht des Erwerbers bei der Kaufpreisfindung zu berücksichtigen, denn er muss damit rechnen, eine oder mehrere Behandlungseinheiten eventuell schon kurz nach Übernahme der Praxis reparieren oder ersetzen zu müssen. Ferner sollte, gerade wenn zwischen Vertragsunterzeichnung und Übergabe der Praxis ein längerer Zeitraum liegt, ein Übergabeprotokoll erstellt werden, in dem die Geräte aufgelistet werden, die nicht (mehr) funktionstüchtig sind. Am Tag der Übergabe überprüfen die Vertragspartner gemeinsam, ob zum Beispiel Absauganlage, Kompressoren und die sonstigen Teile der Behandlungseinheiten sowie Röntgengeräte voll funktionsfähig sind. In dem Praxisübernahmevertrag ist vorher zu regeln, wie mit defekten Geräten verfahren werden soll. Muss der Praxisabgeber das Gerät auf eigene Kosten instand setzen oder wird der Praxiskaufpreis (in welchem Verhältnis?) gemindert?

Praxiskaufpreis

Das maßgebliche Verhandlungspotenzial birgt selbstverständlich die Kaufpreisfindung. Während der Praxisabgeber einen hohen Kaufpreis erzielen möchte, hat der Erwerber ein Interesse an einem niedrigen Kaufpreis. Für die Bemessung des Kaufpreises existieren keine gesetzlich festgelegten Regelungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist die sog. modifizierte Ertragswertmethode zur Bemessung des Praxiswerts aber anerkannt. Dabei spielen – vereinfacht gesagt – sowohl der Umsatz der letzten Jahre als auch die Frage, welchen Umsatz der Erwerber zukünftig in den nächsten Jahren mit der Praxis wird erzielen können, eine Rolle. Bei Letzterem sind „weiche Faktoren“ wichtige Aspekte, d.h. die Anzahl der Privatpatienten, die Lage der Praxis, die Konkurrenzsituation im Umfeld oder auch die technische Ausstattung und Renovierungsbedürftigkeit der Praxis. Im Ergebnis regelt der Markt, also Angebot und Nachfrage, die Kaufpreisfindung.

Da es sich bei dem Kaufpreis einer zahnärztlichen Praxis regelmäßig um sechsstellige Beträge handelt, empfiehlt sich für den Praxisabgeber eine Absicherung der Kaufpreiszahlung. Dies erfolgt regelmäßig durch Vorlage einer unwiderruflichen Finanzierungszusage der kaufpreisfinanzierenden Bank oder eine Bürgschaft innerhalb einer angemessenen Frist ab Vertragsunterzeichnung. Wird die Sicherheit nicht innerhalb der vereinbarten Frist vorgelegt, muss dem Praxisabgeber ein Rücktrittsrecht und gegebenenfalls Schadensersatzanspruch eingeräumt werden.

Zu übernehmende Verträge

In laufende Verträge wie Mietvertrag und Arbeitsverträge der Mitarbeiter/innen tritt der Praxisübernehmer in der Regel ein und führt sie fort. Will der Übernehmer bis auf Weiteres in den Praxisräumen bleiben, hat er ein Interesse daran, dass der Mietvertrag noch möglichst lange läuft, ohne dass der Vermieter kündigen kann. In jedem Fall muss der Erwerber den Praxismietvertrag vorher genau prüfen. Besteht Konkurrenzschutz? Kann er zukünftig ohne Zustimmung des Vermieters weitere Praxispartner aufnehmen? Der Praxismietvertrag sollte außerdem ein Sonderkündigungsrecht bei Tod oder Berufsunfähigkeit des Praxisinhabers vorsehen.

Ein wesentlicher Kostenfaktor stellt das Personal der Praxis dar. Oftmals sind langjährige Mitarbeiter/innen mit entsprechender Erfahrung, aber auch entsprechenden Gehaltsansprüchen in der Praxis tätig. Der Erwerber traut sich vielleicht nicht zu, diesen Kostenblock komplett zu übernehmen. Wenn somit nicht alle Mitarbeiter/innen übernommen werden sollen, muss im Praxisübernahmevertrag geregelt werden, dass der Praxisabgeber rechtzeitig vor Übergabe der Praxis nicht gewünschte Arbeitsverhältnisse beendet und das Risiko etwaiger Kündigungsschutzklagen und Abfindungszahlungen übernimmt.

Patientenunterlagen

In dem Praxisübernahmevertrag ist zu regeln, wie mit den Patientenunterlagen verfahren werden soll. Die Patientenunterlagen stehen im Eigentum des Praxisabgebers. Sie werden von dem Praxisübernehmer nicht gekauft, sondern nur unentgeltlich verwahrt. Auf keinen Fall darf der Übernehmer die Patientenunterlagen einsehen, ohne dass ihn der Patient zur Weiterbehandparodur lung aufsucht. Erst mit dem Aufsuchen der Praxis des Erwerbers erklärt der Patient sein Einverständnis mit der Weiterbehandlung und damit auch konkludent in die Einsicht der Patientenunterlagen. Würde der Erwerber die Patientenunterlagen ohne die Einwilligung des Patienten einsehen, würde die zahnärztliche Schweigepflicht durchbrochen, was strafbar wäre. Im Interesse des Praxisabgebers sollte auch geregelt werden, unter welchen Bedingungen dieser auch nach Abgabe der Praxis noch Einsicht in die sich bei dem Erwerber befindlichen Patientenunterlagen nehmen darf, zum Beispiel um sich gegen vermeintliche Schadensersatzforderungen ehemaliger Patienten zur Wehr zu setzen.

Kommunikation und Rechnungsabgrenzung

Der Erwerber möchte den bestehenden Patientenstamm regelmäßig weiterbehandeln. Deshalb muss er für die Patienten erreichbar sein und zu diesem Zweck die Kommunikationsdaten (Telefon, Fax, E-Mail, Homepage) der Praxis fortführen, was ihm durch den Praxisübernahmevertrag erlaubt werden muss.

Nicht übernommen werden regelmäßig die Praxiskonten. Um eine klare Honorarabgrenzung vornehmen zu können, sollte der Praxiserwerber neue Praxiskonten einrichten. Dadurch ist auch sichergestellt, dass zahnärztliche Honorare, die der Praxisabgeber noch erwirtschaftet hat, ausschließlich auf dessen Konto gutgeschrieben werden. Entsprechendes gilt für Praxiskosten, die von dem Praxisabgeber vor dem Stichtag der Praxisübergabe verursacht worden und von ihm alleine zu tragen sind.

Die gesetzliche Gewährleistungsfrist für Zahnersatz spielt hier eine besondere Rolle. Der Praxisabgeber bleibt dem Patienten grundsätzlich auch noch nach Übergabe der Praxis für den Gewährleistungszeitraum verpflichtet. Deshalb empfiehlt es sich, zwischen den Vertragspartnern eine Regelung im Praxisübernahmevertrag zu treffen, ob der Praxisübernehmer solche Gewährleistungsarbeiten erbringt oder der Praxisabgeber nach Absprache und gegen Kostenerstattung seine ehemaligen Praxisräume und das Inventar dafür benutzen kann.

Tritt der Erwerber mittels Anteilserwerb in eine bestehende Berufsausübungsgemeinschaft ein, muss zwingend geregelt werden, dass er für bereits vor seinem Beitritt entstandene Verbindlichkeiten nicht haftet, sondern von seinen Partnern und dem Veräußerer im Innenverhältnis freigehalten wird. Das gilt sowohl für Schadensersatzforderungen von Patienten als auch für Regresse der Kassenzahnärztlichen Vereinigung oder sonstiger Gremien der vertragszahnärztlichen Versorgung.

Rückkehrverbot

Auf keinen Fall darf in dem Praxisübernahmevertrag ein Rückkehrverbot für den Praxisabgeber fehlen. Anderenfalls würde der Erwerber das Risiko eingehen, dass der Praxisabgeber sich nach dem Verkauf der Praxis erneut niederlässt oder als angestellter Zahnarzt in einer anderen, benachbarten Praxis tätig wird und seine bisherigen Patienten an sich zieht. Dann hätte der Praxiserwerber den Großteil des Praxiskaufpreises (Anteil für den immateriellen Wert, d.h. Patientenstamm) an den Praxisabgeber gezahlt, ohne die Möglichkeit zu haben, den Patientenstamm weiter zu behandeln. Das Rückkehrverbot muss zeitlich, räumlich und inhaltlich begrenzt sein, weil es sich um einen Eingriff in die freie Berufsausübung handelt. Die zeitliche Grenze liegt bei maximal zwei Jahren. Die räumliche Grenze ist im Einzelfall davon abhängig, wie weit der Einzugsbereich der Praxis ist. Die inhaltliche Begrenzung sollte sich auf die Tätigkeit als niedergelassener oder angestellter Zahnarzt beschränken.

Professionelle Beratung ist unerlässlich

Im Einzelfall ist der Praxisübernahmevertrag um weitere individuelle Regelungen zu erweitern. Dies gilt z.B. für Fälle, in denen der Praxisabgeber mit dem Praxiserwerber noch für eine Übergangszeit zusammenarbeiten will. Dann sind zusätzliche Regelungen zum Schutz des Erwerbers (z.B. fester Ausscheidenstermin des Seniors) und/oder des Veräußerers (z.B. einseitiges Hinauskündigungsrecht des Seniors; feste Vertragslaufzeit) zu erörtern. Aber auch in vermeintlich einfach gelagerten Fällen sollte stets medizinrechtlicher und steuerlicher Rat eingeholt werden. 

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