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Forschungspreise der AG Keramik eröffneten neue Perspektiven

10.06.2016

Die Entwicklung und Ausweitung des zahnmedizinischen Kanons sowie der Zahntechnik wird allgemein auf Jahrestagungen wissenschaftlicher Gesellschaften, auf Kongressen und Symposien transparent. Zu einem weiteren Instrument, das dem klinischen und technischen Fortschritt eine Stimme gibt, qualifizierte sich in den letzten 15 Jahren der „Forschungspreis der AG Keramik“. In diesem Zeitfenster brachten viele Autoren mit ihren eingereichten Studien und Berichten jeweils Themen „auf den Tisch“, die zeitaktuell die vollkeramische Restauration in der Zahnerhaltung und Prothetik ambitioniert beleuchteten und zukünftige Therapielösungen sowie technische Neuerungen aufzeigten.

  • Abb. 1: Die Digitalisier- und Fräseinheit Cercon Brain wurde aus dem DCM-System entwickelt (Quelle: DeguDent/Dentsply).

  • Abb. 1: Die Digitalisier- und Fräseinheit Cercon Brain wurde aus dem DCM-System entwickelt (Quelle: DeguDent/Dentsply).
Wenn heute die CAD/CAM-Technik ein etabliertes Verfahren in Praxis und ZT-Labor ist, wurden schon im Jahr 2000 mit einer prämierten Arbeit die künftigen Möglichkeiten ausgelotet. Dr.-Ing. Frank Filser, Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich, beschrieb die Scantechnik – damals noch extraoral am analog gefertigten, aufgewachsten ZTModell – sowie die virtuelle Konstruktion mit einer Kronenund Brücken-Software (Abb. 1). Die DCM-Anlage (Direct Ceramic Machining) verarbeitete Zirkoniumdioxidkeramik (ZrO2) als Grünling, gefolgt vom Sinterschrumpfprozess zur Festigkeitssteigerung des Gerüsts. Dieser Durchbruch für die teilautomatisierte Verarbeitung des „weißen Stahls“ befruchtete das Cercon-System (DeguDent) und löste weitere innovative Entwicklungen bei Dentalindustriellen aus, deren Ergebnisse heute den Markt der Intraoral- und Laborscanner sowie der computergestützten Restaurationssysteme repräsentieren.

Befassten sich in der Frühzeit der digitalen Restaurationstechnik noch eine überschaubare Anzahl von Praxen mit CAD/CAM-gefertigten Inlays und Onlays, lieferte im Jahr 2002 Frau Dr. Anja Posselt, Universität Köln, Belege zur klinischen Bewährung von vollkeramischen Versorgungen, chairside hergestellt mit dem Cerec-System. Sie untersuchte nach 9 Jahren Tragezeit den Zustand von über 2000 Restaurationen bei 794 Patienten. An der Behandlungseinheit einer niedergelassenen Praxis wurden initial die Kavitäten optoelektronisch intraoral gescannt, die Restaurationen virtuell konstruiert sowie modellfrei aus Feldspatkeramik ausgeschliffen und adhäsiv eingegliedert. Basierend auf den Erkenntnissen der gefundenen 95 % Überlebensrate, resümierte die Autorin, dass mehrflächige Einlagefüllungen kein erhöhtes Risiko gegenüber den einflächigen enthielten, hingegen Inlays auf avitalen Zähnen eher frakturierten oder verloren gingen im Vergleich zu Restaurationen auf vitalen Zähnen.

  • Abb. 2: Das Keramikinlay (hier ausgeblendet) mit überkuppeltem Höcker fängt die Kaubelastung ab und stabilisiert die geschwächte Restzahnsubstanz (Quelle: Finite-Elemente-Messung/Mehl).

  • Abb. 2: Das Keramikinlay (hier ausgeblendet) mit überkuppeltem Höcker fängt die Kaubelastung ab und stabilisiert die geschwächte Restzahnsubstanz (Quelle: Finite-Elemente-Messung/Mehl).
Die Performance von Keramiken als Restaurationswerkstoff im Zusammenhang mit unterschiedlichen Zahndefekten kontrollierten mehrere Autoren. Den Material- und Antagonistenverschleiß von CAD/CAM-Keramiken im Vergleich zu Kompositen untersuchte im Jahr 2000 Benjamin Jelen, Student der Zahnmedizin an der Universität Münster. Im gleichen Jahr lieferte Zahnarzt Gunnar Saul, Charité Berlin, Untersuchungsergebnisse zur Bruchfestigkeit von Silikatkeramik (Empress 1). Speziell auf die Versorgung von Kavitäten mit geschwächten Höckern zielte 2001 die Studie von Prof. Albert Mehl, Dr. Matthias Folwaczny und Prof. Karl- Heinz Kunzelmann, Universität München (Abb. 2). Zur Erlangung erfolgreicher Langzeitprognosen wiesen alle Autoren auf die Bedeutung des keramikgeeigneten Präparationsdesigns (Think Ceramic), auf die Option der Überkuppelung von geschwächten Höckern sowie auf die Auswahl der geeigneten Keramik und die Einhaltung von Mindestwandstärken für Zahnhartsubstanz und des Werkstoffs bei ausgedehnten Kavitäten hin. Ebenso wurde belegt, dass die Haltbarkeit der Restauration in hohem Maße auch von der funktionellen Kauflächengestaltung abhängig ist. Alle diese Fakten trugen dazu bei, dass die Erkenntnisse Eingang in den heute gültigen Behandlungskanon gefunden haben.

Bruxismus erhöht das Frakturrisiko

Nach 20-jähriger Tragezeit untersuchte 2011 Frau Dr. Ulrike Beier, Universität Innsbruck, gepresste und laborseitig geschichtete Inlays aus Glaskeramik. Hochrisikogruppen waren Inlays auf avitalen Zähnen sowie Patienten mit Bruxismus; Letztere hatten ein 2,3-mal höheres Frakturrisiko als der Durchschnitt. Dadurch sanken die Überlebensraten aller Inlays besonders nach 10 Jahren von 93,5 % auf 78,5 % (20 Jahre). Andere Autoren stellten fest, dass Keramikinlays, die auf feuerfesten Stümpfen geschichtet wurden, eine deutlich höhere Frakturrate aufwiesen als gepresste und CAD/CAM-gefertigte Keramikinlays.

Zahnarzt Markus Zaruba, Universität Zürich, stellte 2011 in einer In-vitro-Studie fest, dass CAD/CAM-gefertigte Inlays (Cerec) mit Kompositaufbau im Approximalkasten sich hinsichtlich der marginalen Integrität nicht von Keramikinlays unterscheiden, die im Dentin befestigt sind. Deshalb empfiehlt sich der plastische Aufbau unter Keramikinlays, um den in manchen Situationen sehr tief und schwer trocken zu haltenden approximalen Präparationsrand aus der subgingivalen Lage in eine supragingivale Position zu verlagern.

  • Dr. Bernd Reiss, 1. Vors. AG Keramik
  • Dr. Bernd Reiss, 1. Vors. AG Keramik

Veneers und Teilkronen aus Vollkeramik können literaturbelegt mit hohen Überlebensraten punkten. Frau Dr. Petra Güß und Dr. Christian Stappert, Universität Freiburg, berichteten 2006 über extendierte Veneers und deren klinische Performance nach 5-jähriger Tragezeit. Das Team Güss/Stappert hatte Veneers als „Overlap“ mit einer Abflachung zur Inzisalkante um 0,5–1,5 mm und mit einem palatinal rechtwinkligen Abschluss präpariert. Weitere Veneers wurden mit körperlicher Fassung als „Full-Veneer“ mit einer abgerundeten Palatinalstufe ausgeführt. Beide Arten erhielten eine bukkale Hohlkehle und eine approximale Reduktion (0,5– 0,7 mm). Aus Presskeramik (Empress) hergestellt und adhäsiv befestigt, überlebten beide Versorgungsarten nach 5 Jahren zu 97,5 bzw. 100 %. Damit sind extendierte Overlaps wie Full-Veneer zuverlässige Verfahren für größere Defekte im Frontzahngebiet.

  • Abb. 3: Overlap-Veneers auf dem Modell (Quelle: Beier).

  • Abb. 3: Overlap-Veneers auf dem Modell (Quelle: Beier).
Eine weitere Arbeit mit Veneers fokussierte 2013 auf das Design einer substanzschonenden Präparation ohne Reduktion und Fassung der Inzisalkante auf sensiblen Frontzähnen im Vergleich zum Overlap-Design mit inzisaler Fassung (Abb. 3). Die Studie wurde an 292 Keramikveneers mit 74 Patienten im Beobachtungszeitraum von 2 Jahren ausgeführt und eingereicht von Frau PD DDr. Ulrike Beier, Universität Innsbruck. Alle 20 Misserfolge betrafen die Overlap-Gruppe (n = 245). Die Autorin resümierte, dass die Sensibilität der Pfeilerzähne einen größeren Einfluss auf den Erfolg der Veneer-Restauration hat als das Präparationsdesign. Wenn es möglich ist, sollte immer einer substanzschonenden Präparation ohne Reduktion und Fassung der Inzisalkante auf sensiblen Zähnen der Vorzug gegeben werden.

Besser im Schmelz präparieren

Adhäsiv befestigte, rein schmelzgetragene labiale Keramik-Veneers sind eine klinisch bewährte Restaurationsform, die vorwiegend im Frontzahnbereich eingesetzt wird. Technisch möglich ist heute die Verwendung von Adhäsiven, die im Dentin retentiv wirken, um Keramikschalen partiell oder vollständig im Dentin zu verankern. Dabei ist aus grundsätzlichen Erwägungen heraus vorteilhaft, bei der Präparation möglichst große Schmelzareale zu erhalten, weil der Schmelz geätzt und konditioniert wird und somit ein optimaler Bindungspartner ist. Außerdem stellt die Schmelz-Dentin-Grenze aus biomechanischer Sicht ein stabilisierendes Element natürlicher Zähne dar. Der Behandler steht daher grundsätzlich vor der Frage, ob es vorteilhaft ist, möglichst viel Zahnschmelz zu erhalten, auch wenn dies zulasten der Materialstärke, der Ästhetik und der späteren Zahnform erfolgt, oder ob er lieber auf eine funktionierende Dentinadhäsion vertrauen sollte, um damit für das Einbringen des Veneers ein größeres Platzangebot zu nutzen.

Eine In-vitro-Studie untersuchte 2015 den Einfluss der Präparation und der Schichtstärken für Veneers, das Frakturverhalten sowie die marginale Adaptation nach thermomechanischer Belastung, eingereicht von Dr. Uwe Blunck, Charité Berlin, Zahnärztin Sabine Fischer, Berlin, Dr. Jan Hajto, München, ZTM Stefan Frei, München, und Prof. Roland Frankenberger, Universität Marburg. Die Ausgangshypothesen lauteten, dass die Invasivität der Präparation, der Dentinanteil der Klebefläche, die Schichtstärke des Veneers und präexistente Kompositfüllungen keinen Einfluss auf die marginale Qualität und auf das Frakturverhalten haben.

  • Abb. 4: Verschiedene Präparationsformen an einem oberen, mittleren Schneidezahn. (Quelle: Hajto).

  • Abb. 4: Verschiedene Präparationsformen an einem oberen, mittleren Schneidezahn. (Quelle: Hajto).
Für die Untersuchung wurden verschiedene Präparationsformen genutzt: Non-Prep, minimalinvasiv im Schmelz, semiinvasiv mit 50 % Dentinanteil, invasiv mit 100 % Dentin und semiinvasiv mit Klasse-III-Kompositfüllungen (Abb. 4). Die Veneer-Schichtstärken waren 0,2–0,5 mm und 0,5– 1,2 mm. Die Veneers wurden adhäsiv befestigt und nach Wasserlagerung in der Kausimulation mit Temperaturwechsel mit bis zu 3 Millionen Kauzyklen inzisal im 45°-Winkel belastet. Nach 3 Millionen Zyklen zeigten sich für alle Gruppen sehr hohe Überlebensraten. Unterschiede gab es weder am Übergang Keramik/Befestigungskomposit noch am Übergang zur Zahnhartsubstanz. Dennoch war das Frakturrisiko signifikant höher bei dünnen Veneers, deren Präparationsränder vollständig oder partiell im Dentin lagen. Besser schnitten Veneers ab, deren Präparationsränder vollständig von Schmelz umschlossen waren. Keinen Einfluss hatten bereits vorhandene Kompositrestaurationen, weder auf das Randverhalten noch auf die Frakturgefährdung der Veneers. Postendontonische Rekonstruktionen, hergestellt aus Pressund CAD/CAM-Keramiken, untersuchte 2004 Zahnarzt Thomas Wagner, Charité Berlin. Die Belastbarkeit von Seitenzahnkronen und Endokronen aus Feldspatkeramik mit unterschiedlichen Präparationsdesigns, gefertigt mit dem Cerec- System, prüfte PD Dr. Andreas Bindl, Universität Zürich. Die Autoren resümierten übereinstimmend, dass die Kontaktflächen für die Befestigung postendodontischer Aufbauten sowie die Basisflächen der Endokronen nicht unterdimensioniert sein dürfen und die Aufbereitung zahn- und werkstoffseitig mit Adhäsivtechnik sorgfältig mit Mehrflaschensystemen erfolgen muss, um einen dauerhaften Verbund zu erzielen.

Erweiterung der prothetischen Indikation

Neue Keramikwerkstoffe für die rehabilitierende Prothetik fanden schon im Jahr 2002 das Interesse mehrerer Autoren. So untersuchte PD Dr. Joachim Tinschert, RWTH Aachen, die Eignung von Zirkoniumdioxid im Vergleich zum glasinfiltrierten Aluminiumoxid für Kronen- und Brückengerüste. Dr. Stefan Ries, Universität Würzburg, berichtete 2003 von einer Invitro- Studie, die den Einfluss der Präparation und der Gerüstgestaltung für vollkeramische Adhäsivbrücken aus ZrO2 auf das Frakturverhalten in der Oberkieferfront thematisierte. Mehrgliedrige Brückengerüste für den Seitenzahnbereich, gefertigt aus Oxidkeramiken, unterzogen Dr. Rupert Dornhofer und Prof. Gerwin Arnetzl, Universität Graz, 2005 umfangreichen Belastungstests. Die Autoren belegten, dass die Präparationsarchitektur und das anatoforme Gerüstdesign andere Gestaltungsprinzipien befolgen müssen, um die Sprödigkeit der Keramik zu kompensieren, und sich dadurch vom Gerüstdesign metallgestützter Versorgungen deutlich unterscheiden. Nachträgliches, extensives Beschleifen der ZrO2-Gerüste als Korrekturmaßnahme kann die Festigkeit der Keramik destabilisieren und ist deshalb ein Frakturrisiko. Die Frakturfestigkeit von Freiendbrücken aus Zirkoniumdioxid prüften 2006 die Zahnärztinnen Katrin Marienburg und Dr. Brigitte Ohlmann, Universität Heidelberg. Testungen im Kausimulator ergaben, dass eine Gerüstverstärkung am endständigen Pfeilerzahn durch eine orale Schulter sowie die Erhöhung der okklusalen Kronenwandstärke die Bruchfestigkeit von Freiendbrücken im Seitenzahnbereich signifikant steigert.

Die literaturbelegte Erfahrung, dass Keramikverblendungen auf ZrO2-Kronen in manchen Studien Frakturraten bis zu 25 % erreichten, thematisierten mehrere eingereichte Arbeiten, die das Chippingverhalten von Verblendungen auf ZrO2-Gerüsten untersuchten (Abb. 5). Dipl.-Ing. Falk Becker, Universität Heidelberg, kam 2008 zu dem Ergebnis, dass ZrO2-Kronengerüste, deren Verblendung mittels der Überpresstechnik erfolgte, weniger frakturierten als manuell geschichtete Verblendkeramik. Zahnärztin Elke Kröger, Universität Heidelberg, folgerte 2010, dass das Chippingrisiko auf ZrO2 vermindert werden kann, wenn anatoform gestaltete Gerüsthöcker die Verblendung unterstützen, damit keine Zugspannungen in der Verblendschicht entstehen (Abb. 6 u. 7). Kontaktpunkte, die sich auf einer okklusalen Cresta mesialis oder distalis befinden, sollten vermieden werden, da es dort keine Gerüstunterstützung gibt. Die Kronenkappe oder das Brückengerüst sollte den verfügbaren Raum für ausreichende Wandstärken und Konnektoren nutzen. Das größte Volumen sollte das Gerüstmaterial beanspruchen.

  • Abb. 5: Fraktur einer verblendeten ZrO2-Brücke. Das Gerüst wurde nach der Verblendung palatinal eingeschliffen und bot der Verblendung keine ausreichende Unterstützung. Die überdimensionierte Verblendschicht geriet unter Zugspannung (Quelle: Lohbauer).
  • Abb. 6 u. 7: Fehlende Höckerunterstützung (links) für die Verblendung erhöht das Chipping-Risiko. Rechts: Anatoform gestaltete Kronenkappen stabilisieren die Verblendung (Quelle: Scherrer/Tinschert/AG Keramik).
  • Abb. 5: Fraktur einer verblendeten ZrO2-Brücke. Das Gerüst wurde nach der Verblendung palatinal eingeschliffen und bot der Verblendung keine ausreichende Unterstützung. Die überdimensionierte Verblendschicht geriet unter Zugspannung (Quelle: Lohbauer).
  • Abb. 6 u. 7: Fehlende Höckerunterstützung (links) für die Verblendung erhöht das Chipping-Risiko. Rechts: Anatoform gestaltete Kronenkappen stabilisieren die Verblendung (Quelle: Scherrer/Tinschert/AG Keramik).

Hier macht es keinen Sinn, mit dünnen Gerüsten Material zu sparen. Die unter dem Gesichtspunkt der Festigkeit schwächere Verblendkeramik sollte eine Schichtstärke von 1,5 mm nicht übersteigen; sie sollte nur dort verwendet werden, wo deren ästhetische Vorteile auch benötigt werden. Mikrostrukturelle Untersuchungsergebnisse an der Grenzfläche zwischen Zirkoniumdioxid und Verblendkeramik trugen PD Dr.-Ing. Ulrich Lohbauer et al., Universität Erlangen, 2012 vor. Die Autoren hatten festgestellt, dass eine ansteigende Aluminiumoxid-Korngröße (35 ?m vs. 105 ?m) in der ZrO2-Matrix sowie die rotierende Bearbeitung mit Diamantinstrumenten (150 ?m Korn) einen erheblichen Einfluss auf die Oberflächenrauigkeit der Oxidkeramik und auf die strukturelle Integrität des oberflächennahen ZrO2-Gefüges haben. Der Al2O3-Anteil im Zirkoniumdioxid ist für die Feuchtigkeitstabilität der Gerüstmatrix verantwortlich. Ferner wurde festgestellt, dass durch den thermischen Verblendprozess eine Umkehrung der martensitischen Transformation von monoklin nach tetragonal stattfindet. Das heißt, dass der thermische Prozess der Verblendung zu einer Regeneration des Kristallgefüges im ZrO2-Gerüst und damit zur Wiederherstellung der zähen Materialeigenschaften führt. Dr. Gerd Göstemeyer, Charité Berlin, stützte diese Ergebnisse und ergänzte 2012, dass eine Verminderung der Abkühlgeschwindigkeit bei der Ofensinterung Spannungen im Kristallgitter des ZrO2-Gerüsts abbauen kann. Beide Autoren resümierten, dass mit korrekt verarbeiteter ZrO2-Keramik auch geringere Wandstärken (bis 0,5 mm), filigranere Verbinderquerschnitte realisiert und der Haftverbund zur Verblendung verbessert wird.

  • Prof. Peter Pospiech, Charité Berlin
  • Prof. Peter Pospiech, Charité Berlin

Implantologische Suprastrukturen – oder die Alternative?

  • Abb. 8 u. 9: Einflügeliges ZrO2-Gerüst unverblendet (links). Adhäsivbrücke von palatinal (Quelle: Kern).

  • Abb. 8 u. 9: Einflügeliges ZrO2-Gerüst unverblendet (links). Adhäsivbrücke von palatinal (Quelle: Kern).
Die Eignung von zirkonverstärkter Aluminiumoxidkeramik für implantatgetragene Kronen auf Titan-Abutments untersuchte 2007 Frau Dr. Constanze Müller, Universität Freiburg. Die fehlende Eigenbeweglichkeit und die verminderte Taktilität der osseointegrierten Implantatpfeiler führten zu einer erhöhten Verblendfrakturrate. Präfabrizierte Suprastrukturen aus ZrO2 auf Implantaten im Molarenbereich untersuchte 2008 Dr. Frank Nothdurft, Universität Homburg/ Saar. Vorteile bietet der opake Werkstoff, der ein Durchschimmern der grauen Titanpfeiler bei dünner Gingiva verhindert und durch Lichttransmission die Gingiva aufhellt. Riskant erwies sich die Bearbeitung von konfektionierten Abutments. Um den Kronenrand kontrolliert isogingival anlegen zu können, wurde das Emergenzprofil mittels Beschleifen individualisiert. Nachbearbeitete Suprastrukturen erwiesen sich im Seitenzahnbereich als frakturanfällig. Der Autor fasste zusammen, dass ZrO2-Abutments eher für den ästhetisch sensiblen Frontzahnbereich geeignet sind; im Molarenbereich sind titangefertigte Abutments zu bevorzugen. Als Alternative zum Implantat im Frontzahngebiet hat sich die verblendete, einflügelige Adhäsivbrücke aus ZrO2 für den wenig invasiven Lückenschluss bewährt. 2010 berichtete Dr. Martin Sasse, Universität Kiel, dass durch die einflügelige Therapielösung die Eigenbeweglichkeit der Zähne erhalten bleibt. In der Kohorte der einflügeligen Retainer überlebten nach 10 Jahren 94 % der Brücken, in der zweiflügeligen Kohorte nur 74 %. Für die Loslösung der 2-fachen Klebeflügel waren neben dem Einfluss der Eigenbeweglichkeit belastende Scher- und Torsionskräfte im Verbinderbereich verantwortlich. Zur Vorbereitung wurde der Schmelz nach seichter, schmelzbegrenzter Präparation mit Retentionsrippen im Bereich des Tuberkulums angeätzt. Die Retainerflächen, deren Wandstärke 0,5–0,7 mm betrug, wurden kurz korundgestrahlt (50-?m-Korn). Protrusive Kontakte wurden vermieden. Die Verklebung erfolgte mit Phosphatmonomer-haltigem Kleber. In-vitro-Tests mit modernen Klebern zeigten, dass Klebeflächen mit 30 mm2 Ausdehnung einer Zugbelastung von ca. 30 kg widerstehen – vorausgesetzt, die Auflageflächen wurden unter Kofferdam absolut trocken vorbehandelt. Mit der einflügeligen Adhäsivbrücke kann in angezeigten Fällen das Beschleifen kariesfreier Lateralzähne für eine konventionelle Brücke oder ein Implantat, z. B. bei insuffizienter Knochensituation oder im juvenilen Gebiss, substituiert werden. Inzwischen liegen über 20 Jahre Erfahrung mit der einflügeligen Adhäsivbrücke vor (Abb. 8 u. 9).

Mehrflaschen- oder All-in-one-Adhäsive

Der Vorteil der adhäsiven Befestigung ist, dass durch den kraftschlüssigen Verbund mit der Restzahnsubstanz die Restaurationsinnenseite keine mechanische Grenzfläche mehr darstellt, an der rissauslösende Zugspannungen wirksam werden können. Ferner wird durch den innigen Verbund eine Stabilisierung des Restzahns erreicht, sofern eine Klebung im Schmelz erfolgen kann.

  • Abb. 10: Messergebnisse der Schmelzkantenschäden (mit und ohne Provisorium). Chairside keramisch versorgte Kavitäten zeigten die geringsten Schmelzrisse (unten) (Quelle: Frankenberger).

  • Abb. 10: Messergebnisse der Schmelzkantenschäden (mit und ohne Provisorium). Chairside keramisch versorgte Kavitäten zeigten die geringsten Schmelzrisse (unten) (Quelle: Frankenberger).
Den Einfluss von Provisorien und Adhäsivtechnik auf die Schmelzintegrität und Randqualität untersuchte Prof. Roland Frankenberger, Universität Erlangen, in vitro an frisch extrahierten Molaren mit einem schmelz- und dentinbegrenzten, approximalen Kasten. Nach 2.500 Thermozyklen wurden die Klebefugenbreiten vermessen, die Zähne auf Schmelzrisse und Schmelzaussprengungen untersucht sowie die marginale Adaptation zu Schmelz und Dentin geprüft. Nach simulierter Provisorientragezeit zeigte sich ein signifikant negativer Einfluss auf die Schmelzintegrität; marginale Schmelzaussprengungen waren festzustellen. Die bei Cerec- Inlays breitere Klebefuge führte nicht zu schlechteren Randqualitäten. Der Autor folgerte, dass computergestützt chairside hergestellte Inlays dem zu versorgenden Zahn durch den Wegfall der Provisorientragezeit ein vermindertes Risiko für Schmelzsprünge und marginale Schmelzaussprengungen bieten. Adhäsive Mehrflaschensysteme erzeugten in allen Gruppen eine bessere Schmelzrandqualität als Einflaschensysteme. Die Randqualität im Dentin zeigte keine Unterschiede, wenn ohne provisorischen Zement gearbeitet wurde. Bei Provisorien mit provisorischem Zement verschlechterte sich der Dentinrand jedoch in allen Gruppen (Abb. 10).

Der Retentionskraft von ZrO2-Kronen mit verschiedenen Zementen auf Molaren galt die In-vitro-Studie von Prof. Claus-Peter Ernst, Universität Mainz. Durchgeführt wurden die Tests mit einem dualhärtenden Befestigungskomposit in Kombination mit einem konventionellen Adhäsivsystem (Variolink II/Syntac Classic, Ivoclar-Vivadent), zwei Befestigungskomposit- Systemen in Kombination mit selbstkonditionierenden Primern (Panavia F 2.0/ED Primer, Kuraray, Multilink/Multilink Primer A/B, Ivoclar-Vivadent), zwei selbsthaftenden Befestigungszementen (RelyX Unicem, 3M Espe, Maxcem, sds Kerr) sowie einem kunststoffverstärkten Glasionomerzement (Fujicem, GC). Die Präparation von 160 extrahierten menschlichen Molaren und Prämolaren (n = 20) erfolgte standardisiert (10°, h = 3 mm) in einem Parallelfräsgerät. Alle Befestigungsmaterialien wurden gemäß den Vorgaben der Hersteller angewendet. Bei dualhärtenden Systemen erfolgte jedoch ausschließlich die Untersuchung der Dunkelhärtung. Die Kroneninnenseiten wurden mit Rocatec Pre abgestrahlt; eine weitere Vorbehandlung erfolgte bei dem Material Multilink einmal mit Metallprimer, in einer weiteren Gruppe mit Monobond S. Unmittelbar nach Thermocycling (5000×, 5–55 °C) wurden pro Gruppe je 10 der zementierten Kronen mithilfe einer Zwick-Universalprüfmaschine abgezogen (Abb. 11). Die anderen 10 wurden für ein Jahr einer Langzeitwasserlagerung (37 °C) unterzogen. Über diesen innovativen Abzugsversuch konnten klinisch realistische Bedingungen unter Berücksichtigung des C-Faktors, der Filmschichtstärke, des Zementierungsdrucks und der Dezementierungsrichtung geschaffen werden.

  • Abb. 11: Aufbau des Abzugsversuches. 1: Standardisiert präparierter Zahnstumpf (10°, 3 mm Höhe); 2: Klebung bzw. Zementierung der Krone; 3: befestigte Krone; danach Thermowechselbelastung; 4: Verklebung der Abzugseinheit; 5: Einschrauben einer Schraube in einpolymerisierte Mutter; 6: Befestigung des Hakens der Abzugseinrichtung; 7: Abzug der Krone (Quelle: Ernst).
  • Abb. 12: Boxplot des Abzugsversuches: Die jeweils linken Balken bei demselben Material verdeutlichen die Ergebnisse nach Thermowechselbelastung, die jeweils rechten Balken nach Thermowechselbelastung plus 1 Jahr Wasserlagerung. In keinem Fall ergab die zusätzliche Wasserlagerung eine signifikante Verschlechterung der medianen Abzugskraftwerte. Im direkten Vergleich der Materialien unterschieden sich einzelne Materialien hinsichtlich ihrer Retentionskraft signifikant (Quelle: Ernst).
  • Abb. 11: Aufbau des Abzugsversuches. 1: Standardisiert präparierter Zahnstumpf (10°, 3 mm Höhe); 2: Klebung bzw. Zementierung der Krone; 3: befestigte Krone; danach Thermowechselbelastung; 4: Verklebung der Abzugseinheit; 5: Einschrauben einer Schraube in einpolymerisierte Mutter; 6: Befestigung des Hakens der Abzugseinrichtung; 7: Abzug der Krone (Quelle: Ernst).
  • Abb. 12: Boxplot des Abzugsversuches: Die jeweils linken Balken bei demselben Material verdeutlichen die Ergebnisse nach Thermowechselbelastung, die jeweils rechten Balken nach Thermowechselbelastung plus 1 Jahr Wasserlagerung. In keinem Fall ergab die zusätzliche Wasserlagerung eine signifikante Verschlechterung der medianen Abzugskraftwerte. Im direkten Vergleich der Materialien unterschieden sich einzelne Materialien hinsichtlich ihrer Retentionskraft signifikant (Quelle: Ernst).

Im Vergleich zu den direkt nach Thermocycling ermittelten Daten konnten keine statistisch signifikanten Unterschiede der medianen Retentionswerte bei den einzelnen Materialien festgestellt werden (Abb. 12).

Die Arbeit ergab folgende Schlussfolgerungen:

  • Eine Langzeitwasserlagerung beeinflusst die Retentionskraft aller untersuchten Befestigungsmaterialien nicht.
  • Die Komplexität eines adhäsiven Befestigungssystems korreliert nicht unbedingt mit den damit erzielbaren Retentionskräften.
  • Vereinfachte selbstadhäsive Befestigungszemente sind durchaus in der Lage, mit klassischen adhäsiven Befestigungsmaterialien vergleichbare Retentionskräfte von Zirkonoxidkronen auf Dentinstümpfen zu gewährleisten. Allerdings ist dies produktabhängig.
  • RelyX Unicem und Multilink zeigten bei der rein dunkelhärtenden Befestigung von Zirkonoxidkronen auch nach einjähriger Wasserlagerung die besten Ergebnisse.
  • Der klassische Glasionomerzement Fujicem erwies sich in der vorliegenden Studie gegenüber aufwendigeren Systemen bei der Befestigung von Zirkonoxidkronen nicht als unterlegen.
  • Bei Variolink II und Panavia F 2.0 scheint die Lichthärtung für eine optimale Retentionskraft essentiell zu sein (im beschriebenen Versuch erfolgte keine Lichthärtung).

Die Möglichkeit, den Haftverbund von Zirkoniumdioxid zu den Befestigungskompositen zu verstärken, erarbeitete Frau Dr. Astrid von Heimendahl, Universität München. Die Autorin verglich die Haftwirkung auf Prüfplättchen, die mit Korund gestrahlt wurden, und mit Oberflächen, die mit Natronlauge behandelt wurden. Anschließend wurden auf alle Oberflächen Befestigungskomposite aufgetragen und polymerisiert. Die Testung der Plättchen in der Abzugsanlage zeigte, dass die Behandlung mit Natronlauge die Haftwirkung aller Befestigungskomposite signifikant erhöhte. Die Prüfung des Haftverbundes zwischen ZrO2 als Gerüstwerkstoff und Verblendkeramik zeigte, dass hier ebenfalls Natronlauge die Haftwirkung auf den Grenzflächen verstärkt.

Evidenzgestützte Ergebnisse

Mittels einer Meta-Analyse bewertete Dr. Gunnar Meyer, Universität Kiel, im Jahr 2014 die verschiedenen Keramikwerkstoffe für Kronen und Brücken auf der Basis klinischer Studien mit mindestens 5-jähriger Beobachtungszeit. Der Autor trug hierbei mittels einer systematischen Literaturrecherche (PubMed, Cochrane) wissenschaftliche Evidenz zusammen und definierte klinische Pfade, um mit vollkeramischen Kronen und Brücken vergleichbare klinische Langzeitergebnisse wie für metallgetragene Rekonstruktionen zu erlangen.

Die Arbeit beschränkte sich auf zahngetragene Kronen und 3-gliedrige Brücken. Für 4-gliedrige, einspannige Brücken fand er keine klinischen, längerfristigen Studien mit Überlebensraten, die metallkeramischen Restaurationen entsprechen. Bei Brücken wurden auch Adhäsivbrücken einbezogen, da Adhäsivflügel eine Alternative zu Kronen als Brückenanker sind. Studien mit rein implantatgetragenen, vollkeramischen Suprastrukturen fanden noch keine Berücksichtigung; dafür war die literaturbelegte Fallzahl der implantatgetragenen Kronen zu gering. Mit der Studie sollte auch die Frage geklärt werden, ob vollkeramische Restaurationen vergleichbare Langzeitergebnisse bzw. Überlebensraten erzielen wie metallbasierte Versorgungen. Ebenso wurde untersucht, ob Vollkeramik bei Bruxismus eingesetzt werden kann.

Die Meta-Analyse belegte, dass die klinische Bewährung vollkeramischer Kronen und Brücken wesentlich vom Einsatzbereich, von den verwendeten Werkstoffen und von der Einhaltung materialspezifischer Anforderungen abhängt. Bei vollkeramischen Versorgungen spielen die Wahl der Therapieform und die Behandlungserfahrung des Zahnarztes eine entscheidende Rolle. Die evaluierten Studien zeigen, dass die erreichten Überlebensraten nicht nur unter universitären Bedingungen, sondern auch in der niedergelassenen Praxis erreicht werden können.

  • Abb. 13: Verblendete, 4-gliedrige Seitenzahnbrücke auf ZrO(2)- Gerüst (Lava) mit 2 freitragenden Zwischengliedern, frakturfrei nach ca. 12 Jahren Tragedauer (Quelle: Huettig/Groten).

  • Abb. 13: Verblendete, 4-gliedrige Seitenzahnbrücke auf ZrO(2)- Gerüst (Lava) mit 2 freitragenden Zwischengliedern, frakturfrei nach ca. 12 Jahren Tragedauer (Quelle: Huettig/Groten).
Der Autor betonte, dass zur Vermeidung von werkstofflichen Komplikationen und Frakturen die Empfehlungen der Keramikhersteller zu beachten sind. Dies gilt insbesondere für die keramikgeeignete Präparation, die Beachtung von Mindestwandstärken und Verbinderquerschnitten, das höckerunterstützende Gerüstdesign, die Werkstoffbehandlung bei Korrekturen (nachträgliches Beschleifen) sowie die empfohlene Befestigungstechnik. Bei der Risikobewertung muss die Versorgung mit vollkeramischen Kronen und Brücken gegen die Therapie mit metallgestützten Restaurationen abgewogen werden (Abb. 13). Wird im Frontzahnbereich die klassische, pfeilergestützte Metallkeramik-Brücke durch die vollkeramische Einflügel-Adhäsivbrücke substituiert, können die Risiken für den Zahn durch die substanzschonende Präparation reduziert werden.

  • Prof. Matthias Kern, Direktor Zahnärztliche Prothetik, Universität Kiel
  • Prof. Matthias Kern, Direktor Zahnärztliche Prothetik, Universität Kiel

Die Literaturanalyse wurde von der DGPro und DGZMK als „Leitlinie S3“ für vollkeramische Kronen und Brücken übernommen. Dadurch können Zahnärzte jederzeit die Empfehlungen für ihre Therapieentscheidungen nutzen und die Leitlinie in das Qualitätsmanagement ihrer Praxis integrieren.

Fazit

Die Jury des Forschungspreises der AG Keramik, der Hochschullehrer, Wissenschaftler und niedergelassene Zahnärzte angehören, testierte zurückblickend, dass viele der prämierten Arbeiten wertvolle Impulse für die Materialentwicklung und für inzwischen etablierte Therapielösungen gegeben haben. Damit ergänzt der Forschungspreis die Arbeit der Universitäten sowie der Dentalindustrie mit wertvollen Beiträgen. Die Publikation von ausgesuchten Studien wird von der AG Keramik in internationalen Fachmedien stets unterstützt. Damit geben diese Arbeiten im Rahmen der rasch voranschreitenden Verbreitung der vollkeramischen Restauration, der Entwicklung verbesserter und neuer Keramikwerkstoffe sowie der Optimierung der CAD/CAM-Technologie auch auf internationaler Ebene wertvolle Impulse.

Näheres zum Autor des Fachbeitrages: Manfred Kern

Bilder soweit nicht anders deklariert: Manfred Kern


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