Mit biologischem Implantationskonzept zum Therapieerfolg – Teil 1
Das nachfolgende Fallbeispiel beschreibt die Augmentation mit autologem Knochenmaterial unter Verwendung von körpereigenen Wachstumsfaktoren, die Insertion von selbstschneidenden Implantaten und ein anschließendes prothetisches Konzept mit Einsatz von Locator-Abutments. Ziel des Autors und Behandlers war dabei eine komplexe, individuell optimierte Totalversorgung eines Oberkiefers mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen.
Der sich am stärksten und schnellsten entwickelnde Sektor der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist zweifelsohne die orale Implantologie. Kein anderer Bereich der Zahnmedizin unterlag in den letzten Jahren einer so kontinuierlichen und dabei gleichzeitig so grundlegenden Erneuerung1.
Die zunehmend gewonnenen Erkenntnisse zu den bei der ossären Integration „künstlicher Zahnwurzeln“ ablaufenden Prozessen haben zu zahlreichen Innovationen in der oralen Implantologie geführt. Als Resultat stehen dem Behandler verbesserte Implantatsysteme bezüglich Verbindungs- und Oberflächendesign sowie ein abgestimmtes Operationsequipment zur Verfügung. Dies und die Anwendung verfeinerter und modifizierter Operationstechniken haben zu einer hohen Erfolgssicherheit in der dentalen
Implantologie beigetragen. Durch die damit verbundene kontinuierlich wachsende Nachfrage nach implantatgetragenem Zahnersatz steigt jedoch auch der Bedarf an augmentativen Maßnahmen zur Schaffung eines geeigneten Implantatlagers. Nachdem die zwischenzeitlich 30-jährige Erfahrung mit wissenschaftlich erprobten Implantatsystemen Erfolgsraten bei der Osseointegration von über 90 % zeigen, steht heute eine minimale Belastung des Patienten im Vordergrund. Dies bezieht sich sowohl auf den operativen Eingriff als auch auf die Dauer der Behandlung und den finanziellen Aufwand. Nachfolgend soll anhand eines Fallbeispiels gezeigt werden, wie durch den Einsatz eines biologischen Implantationskonzeptes die komplexe Totalversorgung eines Oberkiefers mit möglichst geringem Aufwand zu einem individuellen Optimum geführt wurde.Fallbeispiel: Anamnese, Befund und Behandlungsplanung
Eine zu Behandlungsbeginn 67-jährige Patientin stellte sich mit einer insuffizienten Oberkieferversorgung in unserer Praxis vor. Allgemeinmedizinisch relevant konnten anamnestisch eine Medikation mit dem Antikoagulans ASS 100 und dem Schilddrüsenpräparat L-Thyroxin bei der leichten Raucherin (6 bis 10 Zig./Tag) festgestellt werden.
Klinisch zeigte sich ein Wurzelrest in Regio 22, der zuvor als Pfeiler eines Teleskops gedient hatte. In Regio 13 konnte ein bereits endodontisch behandelter Zahn mit Lockerungsgrad III festgestellt werden. Dieser Zahn war mit einer Teleskopkrone versorgt und diente nach der koronalen Zerstörung von 22 als einziges Retentionselement der gaumenfreien teleskopierenden Prothese mit Metallbasis. Die Prothese schien schon mehrmalig nach zunehmendem Verlust von Pfeilerzähnen umgearbeitet worden zu sein. Aufgrund der geschilderten Ausgangslage war der Prothesenhalt entsprechend schlecht und der Wunsch der Patientin nach einer Neuversorgung des Oberkiefers verständlich. In einem intensiven Gespräch mit der Patientin stellte sich heraus, dass für sie dauerhaft nur ein gaumenfreier Zahnersatz in Frage kam.
Da sowohl der Wurzelrest Regio 22 und der stark gelockerte, mit Sekundärkaries befallene Zahn 13 als nicht erhaltungswürdig eingestuft wurden, konnte diesem Wunsch nur durch den Einsatz von Implantaten als künstlichen Pfeilern Rechnung getragen werden. Dabei sollte jedoch auf eine möglichst kostengünstige Versorgung geachtet werden, die dem Anspruch nach Gaumenfreiheit gerecht wird.
Die klinische und radiologische Befundanalyse zeigte zudem ein teilweise eingeschränktes vertikales (im Seitenzahngebiet) und transversales (vor allem im 2. Quadranten) Knochenangebot (Abb. 1 u. 2).
Um dem Patientenwunsch entsprechen zu können und eine dauerhaft günstige Kraft- und Belastungsverteilung zu erreichen, sollten Implantate in den Regionen 16, 14, 12, 22, 24 und 26 eingebracht und auftretende Knochendefizite mit autologen Knochenpartikeln aufgebaut werden. Weiterhin sah das prothetische Konzept einen kostengünstigen Umbau der nach Entfernung der restlichen Oberkieferbezahnung notwendig werdenden Totalprothese vor. Dazu sollte nach gedeckter und möglichst belastungsfreier Einheilung mit anschließender Freilegung der Implantate ein chairside durchgeführter Einbau von Locator-Abutments vorgenommen werden.
Behandlungsdurchführung
Zunächst wurden der Wurzelrest 22 und der nicht erhaltungswürdige Zahn 13 schonend mit Periotom und Elevator entfernt. Zu diesem Eingriff wurde auf ein Absetzen des Antikoagulans verzichtet. Anschließend fand eine Überarbeitung der bestehenden Teleskopprothese statt, die so als Provisorium bis zur Fertigstellung der neu angefertigten Totalprothese auf Kunststoffbasis diente.
Nach einer ca. dreiwöchigen komplikationslosen Heilung der Extraktionswunden wurde am Tag der Implantations-OP mit einer Abnahme von 16 ml Blut begonnen.
Herstellungsprozess von P.R.G.F.
Die auf vier Röhrchen verteilte Blutmenge wurde nach dem Herstellungsprotokoll für P.R.G.F. nach Dr. Eduardo Anitna (wiss. Leiter von BTI „Biotechnology Institut“) zentrifugiert (Abb. 3)2. Dadurch wird das Blut in Plasma und ein Erythrozytenkonzentrat separiert. Aus dem Plasma in den vier Röhrchen wurden anschließend manuell drei Fraktionen in separate Röhrchen pipettiert (Abb. 4). Aus der obersten Plasmaschicht, die die geringste Konzentration an Blutplättchen und Wachstumsfaktoren enthält, entstand in einem Röhrchen die „Fraktion 1“. Diese dient nach Zugabe eines Aktivators (10 %iges Kalzi umchlorid) zur Herstellung einer gummiartigen autologen Fibrin-Membran (Abb. 5). Die mittlere Schicht des Plasmas, die so genannte „Fraktion 2“, wurde ebenfalls in ein separates Röhrchen abpipettiert und dient zunächst unaktiviert zur Aufnahme und Lagerung von Augmentatmaterial, z. B. autologen Knochenspänen. Vor der Augmentation in den Defektbereich wird dieses Gemisch aktiviert. Das führt zu einer gelartigen Konsistenz der Knochenpartikel und erleichtert deren Platzierung. Weiterhin soll durch die Lagerung im angereicherten Plasma die Vitalität der Knochenzellen möglichst erhalten bleiben (Abb. 6)3.
Die letzte Plasmaschicht, die dem Erythrozytenkonzentrat unmittelbar angrenzt, ist die plättchen- und wachstumsfaktorenreichste Fraktion. Sie wird als „Fraktion 3“ bezeichnet und diente in Kombination mit implantologischen Eingriffen im unaktivierten Zustand zur Benetzung der Implantatoberflächen und Implantatkavitäten (Abb. 7). Dieser Herstellungsprozess läuft parallel zum Eingriff am Patienten.